Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben
gerissenes Tier, dennoch war ich zuversichtlich, dass meine Hunde ihn stellen könnten. Doch es kannte das Gelände besser als ich, und die Jagd dauerte schier endlos. Gegen Nachmittag war ich weit von dem mir bekannten Jagdgebiet abgekommen. Ich hatte nichts zu essen bei mir, und der Pfad führte in die Hügel. Aber meine Beute war so nah, und ich konnte einfach nicht aufgeben. Und dann stieg das Gelände steil an, und ich schaute empor und sah den Hirsch über mir auf einem Felsen, der aus dem Hang ragte. Drei Hunde starben, als sie versuchten, ihn zu packen. Ich hob den Speer, doch ehe ich ihn schleudern konnte, griff der Hirsch an. Seine Hörner spießten zwei weitere Hunde auf, als er den Kreis durchbrach, und mein Pferd bäumte sich auf und warf mich ab. Als ich wieder zu Sinnen kam, war er längst verschwunden, und die überlebenden Hunde waren froh, mich nach Hause zu begleiten.«
Eine lange Weile herrschte Stille, dann brach Agricola von Demetia in schallendes Gelächter aus. »Sind wir deshalb in den letzten zehn Tagen auf die Hügel zugejagt?«
»Ihr wollt die Sachsen in unwirtliches Gelände locken?«, fragte Cunorix, dessen Iren sich angesichts dieser neuen Bedrohung wieder mit Artor verbündet hatten.
Artor ließ sie ihre eigenen Schlüsse ziehen, ehe er die Hand hob. »Aelles Armee ist zu groß, er kann nicht genug Vorräte mit sich führen. Er ist gezwungen zu nehmen, was das Land bietet. Aber wenn er seine Streitkräfte teilt, um Proviant zu beschaffen, läuft er Gefahr, auf einen größeren Truppenverband unserer Männer zu stoßen. Je weiter er sich von seinen eigenen Gebieten entfernt, desto schwieriger wird seine Lage.«
»Und wo schlagt Ihr vor, dass wir ihn stellen?«, fragte eine neue Stimme.
»Aquae Sulis liegt inmitten von Hügeln. Das Gelände ist stark zerklüftet, dort wird den Sachsen ihre zahlenmäßige Überlegenheit wenig nützen. Jenseits des Flusses, oberhalb der Stelle, wo die Calleva-Straße in die Straße nach Corinium mündet, gibt es einen Hügel, der den Fluss Abona überblickt. Er ist die einzige Erhebung dort, und sein Gipfel ist flach, groß genug für unsere Pferde, aber nicht zu groß, als dass er sich nicht gut verteidigen ließe. Ich schlage vor, dass wir dort Stellung beziehen. Wir haben genug zu Essen in den Satteltaschen, um ein paar Tage durchzuhalten, und Flusswasser können wir in Fässern aus der Stadt hinaufschaffen. Ich habe die Bewohner von Aquae Sulis bereits angewiesen, die Stadt zu räumen, jeden Bissen Essen mitzunehmen, den sie tragen können und den Rest auf dem Hügel zurückzulassen.«
Eine Weile herrschten noch spürbare Zweifel an dem Plan. Dann grinste Cunorix. »Wir stellen also unseren Feinden eine Falle.«
»So ist es, und wir sind zugleich der Köder und die Zähne!«
Cunorix zog das Schwert halb aus der Scheide. »Dann sollte ich besser meinen Zahn schärfen.«
Weiteres Gelächter folgte, und Bediver entspannte sich. Er hätte nie daran zweifeln dürfen, dachte er, dass Artor seine Männer im Griff behalten würde.
Der Hügel ragte ausgefranst in das blasse Blau des Himmels.
Aus der Ferne hielt Oesc die unebenmäßigen Umrisse zunächst für Gebüsch oder Baumwipfel, doch als sie sich näherten, sah er auf den Hängen über sich Baumstrünke und vom Buschwerk gerodete Flächen. Alle üppigen Sträucher, hinter denen sich der angreifende Feind hätte verbergen können, waren ihres Blattwerks beraubt. Rings um den Gipfel bildeten Baumstrünke und Äste eine Barriere.
Er stieß einen leisen Fluch aus. »Ceredic war sich so sicher, wir hätten sie in die Flucht geschlagen! Aber Artor ist nicht geflohen, er wollte uns hierher locken.«
Haesta, der neben ihm marschierte, knurrte zustimmend. »Ihr seid vielleicht wenig darin geübt, eine Armee zu führen, aber Ihr kennt Artor. Aelle hätte auf Euch hören sollen. Andererseits hat Artor womöglich nicht damit gerechnet, dass unsere Armee so stark ist.« Mit zusammengekniffenen Augen spähte er den Hügel hinauf. »Vorerst sind sie in Sicherheit, aber wohin können sie schon ausweichen?«
Bei Einbruch der Dunkelheit war der Hügel umzingelt. Sächsische Schlachtgesänge trieben im Wind die Hänge empor. Am nächsten Morgen erfolgte der erste Angriff auf der südlichen, flachsten Hangseite. Diese Flanke ließ sich allerdings auch äußerst gut verteidigen, und die Angreifer zogen sich bald wieder zurück.
Am Nachmittag desselben Tages versuchten sie es erneut, diesmal mit einem Angriff
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