Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben
Treffen zu spenden. Er kam in Begleitung Leodagranus’, des Fürsten von Lindinis, der hier die Rolle des Gastgebers übernommen hatte. Gwalchmais Hand ging zum Griff seines Schwertes.
»Gut, dass du das nicht bist«, entgegnete Bediver. »Artor muss ihn behandeln wie ein Mann, der mit glühenden Kohlen durch ein Kornfeld wandert, wenn er nicht geschickt vorgeht, stehen der gesamte Westen und Süden bald in Flammen. Cadors Tat hat die Sachsen geeint, aber sie könnte den britischen Bund entzweien.«
»Und Artor weiß es.« Gwalchmai schüttelte den Kopf. »Er hat eine Miene aufgesetzt, bei der frische Milch sauer werden könnte. Trotzdem ist das Ganze gar nicht so schlecht. Die Sachsen sind jedes Jahr stärker geworden. Wenn wir sie jetzt zerschlagen, laufen wir nicht Gefahr, in ein paar Jahren zu schwach dafür zu sein.«
Sein jüngerer Bruder Gwyhir zeigte die Zähne und grinste. Er hatte helles Haar, galt als streitsüchtig und bestach wie sein Bruder durch seine Größe. Der dritte Bruder, Aggarban, war klein und dunkler. Es hieß, dass Morgause nach dem ersten Sohn alle Kinder an Beltene von unbekannten Vätern empfangen hätte. Im Norden, wo man noch nach den alten Traditionen lebte, dachte deshalb niemand schlecht über sie. Im Süden besann man sich, dass sie des Königs Schwester war, und wenn man darüber sprach, dann nur im Flüsterton.
»Ich hoffe, wir werden kämpfen«, erklärte Aggarban. »Du hast deinen Anteil am Ruhm bereits gehabt, aber ich muss mir erst einen Namen schaffen!«
»Du klingst, als sollten wir Cador dafür danken, dass er diesen Krieg begonnen hat!«, meinte Bediver verbittert.
Gwalchmai zuckte mit den Schultern. »Ich werfe ihm nichts vor. Zugegeben, es ist alles ein wenig unerwartet eingetreten, aber man muss ein Geschwür erst reifen lassen, ehe man es aufschneidet. Cador zwingt den König lediglich zu etwas, das so oder so ohnehin geschehen wäre.«
Obwohl Bediver skeptisch dreinsah, musste er sich eingestehen, dass eine gewisse Logik in diesen Worten lag, so harsch sie auch sein mochte. Dann jedoch entsann er sich des hellhaarigen Kopfes von Oesc neben dem braunen Haarschopf Artors, wie die beiden über ein Spielbrett gebeugt saßen oder beim Bogenschießen nebeneinander standen. Oesc war als Artors Gefangener gekommen, aber letzten Endes schienen die beiden in der Gegenwart des anderen einen Frieden empfunden zu haben, den Artor bei niemandem sonst verspürte. Gewiss schmerzte das Zerreißen dieser Bande beide gleichermaßen.
Ein Raunen voller Erwartung war zu vernehmen, als Artor sich durch die Menge drängte. Kurz zögerte er, dann sah er mit wütend funkelndem Blick zu dem Baldachin hin, wo Cador wartete. Ohne sich zu vergewissern, ob seine Hausgarde ihm folgte, ging er auf ihn zu. Der dumnonische Fürst erhob sich, als Artor sich näherte. Bediver fiel auf, dass sein sandfarbenes Haar lichter geworden war. Die Röte der hellen Haut jedoch rührte vermutlich von der Hitze her, nicht von Scham.
Die Krieger des Königs wichen außer Hörweite zurück und stellten sich gegenüber von Cadors Hausgarde auf. Zwar waren die Worte nicht zu vernehmen, doch das An- und Abschwellen der Stimmen drang deutlich herüber, Artors Stimme tief und angespannt und Cadors höher, beinahe winselnd; so erschien es zumindest Bediver. Je länger das Streitgespräch dauerte, umso röter wurde das Gesicht des Dumnoniers.
»Sagt, was Ihr wollt!« Cador hob die Stimme. »Wir werden den Krieg nicht beenden, indem wir die Frau jetzt zurückgeben!«
»Den Krieg, den Ihr wolltet!« brüllte Artor zur Antwort. Die Hausgarden rückten näher, als er fortfuhr. »Schickt die Frau in meine Festung bei Dun Tageil. Die Häuptlinge von Demetia scharen immer noch ihre Männer um sich. Ich muss nach Norden, um mich ihnen anzuschließen. Führt Eure eigenen Männer nach Osten und haltet Aelles Streitkräfte auf, solange Ihr könnt. Ich verspreche Euch, solltet Ihr mich im Stich lassen, werde ich mich persönlich um Euch kümmern, nachdem wir mit den Sachsen fertig sind!«
Damit erhob er sich; auch Cador mühte sich verkrampft lächelnd auf die Beine.
»Herr, wir werden alles Menschenmögliche tun.«
Es war bereits spät am Nachmittag, als Merlin spürte, wie sich die Kraftströme um den Gipfel veränderten, und er aus den überirdischen Regionen zurückkehrte, in denen er gewandelt war. Als er hinabspähte, sah er, wie die Dumnonier das Lager abbrachen. Dann wurde er einer feineren Veränderung
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