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Broken Lands

Broken Lands

Titel: Broken Lands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Milford
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Verzeihung, Gentlemen.»
    Sam hielt inne, die Finger an den geschürzten Lippen. Er und der Falschspieler drehten sich um und sahen sich einem alten Mann gegenüber, einem Farbigen, der höflich ein Stück abseits stehen geblieben war. «Was?», fuhr ihn der Spieler an.
    «Kennt zufällig einer von Ihnen einen Saloon mit Namen Reverend Dram ?» Der alte Mann rückte eine Gitarre zurecht, die auf seinem Rücken hing, und ging nicht auf den ärgerlichen Ton des Spielers ein. «Ich war schon überall und finde den Weg einfach nicht.»
    Der Gauner öffnete den Mund zu einer unhöflichen Bemerkung. Doch dann verschwand der wütende Ausdruck aus seiner Miene. Das war merkwürdig. Wenn der Typ bereit war, einen fünfzehnjährigen Jungen italienischer Abstammung zu verprügeln, würde er vor einem Schwarzen wohl kaum zurückscheuen. Obwohl mehr als zehn Jahre seit dem Krieg gegen die Südstaaten vergangen waren, gab es Leute, die sich geradezu einen Spaß daraus machten. Aber der Spieler stutzte.
    «Nein», sagte er schließlich. «Ich bin nicht von hier.» Er warf Sam einen Blick zu, und wieder blitzte das Stacheldrahtlächeln auf. «Bis bald, Junge.»
    Sam widerstand der Versuchung, eine obszöne Geste auszuführen, als der Mann in der Menge verschwand. Dann wandte er sich an den Neuankömmling. «Ich kann Sie in den Dram bringen, Mister.» Er streckte die Hand aus. «Sam.»
    «Nun, das ist mächtig nett von dir, Sam.» Der alte Mann nahm die Hand und schüttelte sie fröhlich, als ob er keine Ahnung hatte, dass durch seine Einmischung eben eine Prügelei verhindert worden war. Aber irgendetwas sagte Sam, dass er genau Bescheid wusste.
    «Ich heiße Tom», sagte er. «Tom Guyot.»
    Die Einfahrt des Vier-Uhr-Zugs an der Station der New York und Sea Beach Eisenbahn-Linie kündigte sich mit einem Kreischen der Bremsen an, die gegen den Vorwärtsschub von zweihundert Tonnen Eisen ankämpften. Der sommersprossige Mann in dem weißen Leinenanzug runzelte die Stirn, als sich feiner Staub auf seine Ärmelaufschläge legte. Er schaute nach oben zur Gepäckablage. Bosheit blitzte in seinen schwarzen, rot geränderten Augen, als er die Reisetasche aus festem Stoff fixierte, die umgekippt war.
    Mit Fingern, an deren Enden spitz zugefeilte Nägel saßen, fegte er sich den Staub von den Ärmeln. Es war etwa eine Woche her, seit der Mann mit diesen Fingernägeln ein Kartenspiel gezinkt hatte, und inzwischen waren die Spitzen leicht stumpf geworden.
    Die Henkel der Reisetasche in der einen Hand und den schmalen hölzernen Kartenspielkasten unter den anderen Arm geklemmt, ließ er sich im Strom der Freizeitgäste treiben, die sich auf den Bahnsteig am Sea Beach Palace ergossen, und blickte sich um. Im Westen lagen die Straßen von Norton’s Point, wo sich – wie er wusste – Diebe, Falschspieler und kriminelle Elemente vor dem Arm des Gesetzes verkrochen. Ein paar Meilen gen Osten reckten sich hölzerne Stege wie manikürte Finger ins Wasser. Dort residierten wohlhabende Gäste in prächtigen neuen Hotels. Der Bereich dazwischen, die fröhliche, unbeschwerte Wildnis von West Brighton, gehörte den Badenden, den grellen Werbeplakaten, den Bierkrügen, die zu zwei Dritteln mit Schaum gefüllt waren, den Taschendieben, fragwürdigen Absichten und den Karussells.
    Dieser bunt zusammengewürfelte Haufen von Menschen, arm oder reich, schwer arbeitend oder auf schnelles Geld aus, war Coney Island, das berüchtigte Seebad südlich von Gravesend, Long Island.
    Der schwarzäugige Mann lehnte an der Brüstung, schaute und hörte zu und akklimatisierte sich, während er das Gemisch aus Seeluft und Kohlenfeuerrauch einatmete. Es lag noch etwas anderes in der Luft, eine tiefe Note, verborgen unter den Gerüchen und Geräuschen, die durch die Sommerbrise schwirrten. Kaum jemand sonst hätte sie bemerkt. Menschen waren blind und taub für das sanfte Sieden der Gewalt – was ihn stets belustigte, denn für ihn war es wie eine Droge.
    Der sommersprossige und schwarzäugige Mann, der kein Mensch war, konnte es riechen, so deutlich wie Kölnisch Wasser. An diesem Ort durchdrang es alles, genauso wie an jedem anderen in diesem Land seit mindestens zwanzig Jahren. Vielleicht schon länger. Es war so leicht, das Gefühl für die Zeit zu verlieren. Er war viel älter, als sein Äußeres, das ihm den Anschein eines flotten jungen Mannes gab, vermuten ließ.
    In diesem Jahr allerdings … in diesem Jahr war es stark . Es hatte sich während der langen Jahre des

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