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Nichts als Erlösung

Nichts als Erlösung

Titel: Nichts als Erlösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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Samstag, 1. August
    Der Mond ist noch nicht aufgegangen, kein künstliches Licht erhellt das Gelände, und einen Moment lang erscheint ihm die dunkle Masse des Waldes bedrohlich. Als ob die dicht stehenden Stämme und Büsche ein einziges Lebewesen seien, ein Organismus, der ihn belauert, ja, näher zusammenrückt und sich ihm entgegenstemmt. Absurd, so etwas zu denken, völlig absurd. Der Wald ist sein Freund, war das immer schon. Eric Sievert blickt auf den Feldweg, der sich als hellgraue Spur in den Schatten verliert. Nichts ist dort, niemand, er ist allein hier. Der Revierförster ist ein scharfer Hund, vor ein paar Wochen hätte der ihn um ein Haar erwischt. Aber daraus hat er gelernt, inzwischen kommt er später und verzieht sich, lange bevor die Dämmerung die ersten Jäger zum Ansitz aus den Betten lockt. Und er fährt die letzten Kilometer zum Wald mit dem Rad, lässt sein Auto in Biblis, wo es seine Anwesenheit im Naturschutzgebiet nicht verrät.
    Eric Sievert schiebt sich ins Unterholz, fühlt einen trockenen Ast an seiner Wange, dann in seinem Haar, spannt die Muskeln an. Das Rascheln des toten Laubs unter seinen Füßen scheint in der Stille regelrecht zu explodieren. Irgendwo schreit ein Nachtvogel auf, klagend und hoch, und verstummt so abrupt, dass es unnatürlich wirkt. Er tastet sich weiter voran, blind beinahe, nach Gefühl, saugt den Geruch des Waldes tief in die Lungen. Seit er denken kann, hat es ihn nach draußen gezogen. Schon als Junge ist er aus der Enge der elterlichen Wohnung und dem winzigen Zimmer, das er mit seiner Schwester teilte, so oft es nur ging in den Wald geflohen. Menschen betrügen dich, die Natur tut das nie. Er zerrt an einem Ast, der sich in seinem Rucksack verhakt hat. Das Holz splittert, laut, wieder ruft der Vogel, noch näher jetzt, fast direkt über ihm. Instinktiv hebt er den Kopf, kann den Schreihals jedoch nicht entdecken. Vielleicht ein Waldkauz. Wahrscheinlich sogar.
    Eric bleibt stehen und tastet nach seinem GPS-Gerät, das einsatzbereit neben Klappspaten, Taschenlampe, Messer und Pointer an seinem Gürtel hängt. Hier im Ried ist es tatsächlich noch schwüler als in Darmstadt, und die Motorradlederjacke ist definitiv viel zu warm, auch Gummistiefel und Jeans sorgen nicht gerade für Abkühlung. Aber das kann er ab, er ist schließlich sportlich, und immerhin ist er so einigermaßen vor Mücken und Dornen geschützt. Er checkt sein GPS-Gerät, um sich zu orientieren. Geradeaus liegt die Ruine der Festung Zullestein, dahinter mündet die Weschnitz in den Rhein, westlich davon sind die Sternschanzen aus dem Dreißigjährigen Krieg, noch 19 Grad weiter westlich ist die Stelle, wo er gleich am ersten Tag den perfekt erhaltenen Bronzeschild gefunden hat. Ein Original aus der Römerzeit, eine echte Sensation, 17000 Euro hat ihm der gebracht. Vor fünf Jahren noch hätte er so etwas nicht für möglich gehalten. Römer, Kelten, Germanen und Nibelungen waren für ihn in erster Linie Gestalten aus Schulbüchern oder Asterix-Heften gewesen. Dass die tatsächlich vor seiner Haustür gelebt und gekämpft hatten und dass man die Spuren davon tatsächlich wieder ans Tageslicht bringen kann, hatte er erst durch Kurt erfahren. Kurt der Korrekte, der entsetzt wäre, wenn er ihn hier sähe, und sofort wieder über die Schäden der Raubgräberei für die Archäologie lamentieren würde.
    Eric löst seinen Deus XP vom Rucksack. Deus. Gott. 1400 Euro hat er dafür berappt, schwarz und in bar, ein Deal übers Internet, jeden Cent wert. Er hängt sich die Funkkopfhörer um den Hals und erweckt den Metalldetektor mit einem Knopfdruck zum Leben. Das Display blinkt auf, die Sonde vibriert. Natürlich, ja, Kurt hat schon recht. Korrekterweise dürfte er nicht hier sein, und selbstverständlich hätte er seinen Fund dem Landesamt für Denkmalpflege melden müssen, statt ihn an einen Händler im Internet zu verticken. Er wischt Schweiß von seiner Stirn, stolpert über eine Wurzel, fängt sich wieder. Der Geruch von modrigem Blattwerk steigt ihm in die Nase, faulig und schwer. Der Steiner Wald ist ein Auenwald, die Bäume krallen sich in sumpfigen Grund. Immerhin hat die Hitze der letzten Wochen dazu geführt, dass er nicht mehr bei jedem Schritt knietief in den Modder sinkt. Dafür sind die Mücken heute extra aggressiv. Obwohl er sich reichlich mit Autan eingeschmiert hat, jucken im Nacken schon die ersten Stiche.
    Genau hier hat er den Bronzeschild ausgegraben. Etwa 100 Quadratmeter

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