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Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Titel: Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manesse-Verlag
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KAPITEL 2
In dem ich mich als Mann mit Schneid erweise
    Während dieses Disputs tat meine Cousine Nora das einzige, was einer Dame unter solchen Umständen zu tun bleibt, und fiel in geziemender Weise in Ohnmacht. Zu diesem Zeitpunkt war ich in einen hitzigen Wortwechsel mit Mick
verwickelt, sonst wäre ich ihr natürlich zu Hilfe geeilt, aber auch Hauptmann Fagan (ein ganz nüchterner Bursche war dieser Fagan) hielt mich davon ab, indem er sagte: «Ich rate Ihnen, die junge Dame sich selbst zu überlassen, Master Redmond; seien Sie sicher, sie kommt bald wieder zu sich.» Genauso geschah es tatsächlich kurz darauf, was mir nachträglich zeigte, dass Fagan sich recht gut in der Welt auskannte; später habe ich nämlich manch eine Dame sich ganz ähnlich rasch erholen sehen. Quin bot natürlich nicht an, ihr zu helfen, vielmehr verdrückte sich der treulose Grobian, als alle anderen durch ihre Schreie abgelenkt waren.
    «Wem von uns soll sich der Hauptmann denn stellen?», fragte ich Mick. Es war mein erster Ehrenhandel, und ich war darauf so stolz wie auf einen betressten Samtanzug. «Wer von uns beiden, Vetter Mick, soll denn die Ehre haben, diesen unverschämten Engländer zu züchtigen?» Während ich dies sagte, reichte ich ihm die Hand, denn im Triumph des Augenblicks schmolz mir dem Vetter gegenüber das Herz dahin.
    Er aber wies dieses Freundschaftsangebot zurück.«Du – du!», rief er in höchster Leidenschaft.«Hängen sollte man dich, du zudringliches Balg, das überall seine Finger im Spiel
haben muss. Warum hast du dich nur eingemischt und Zank und Streit angefangen mit einem Gentleman, der fünfzehnhundert im Jahr hat?»
    «Oh», ächzte Nora auf ihrer Steinbank. «Ich werde sterben; ganz bestimmt sterbe ich gleich. Hier komme ich nie wieder weg.»
    «Noch ist der Hauptmann nicht fort», flüsterte Fagan, worauf Nora ihm einen entrüsteten Blick zuwarf, aufsprang und zum Haus ging.
    «Und überhaupt», fuhr Mick fort, «wie kommst du dazu, aufdringlicher Schuft, dich in die Angelegenheiten einer der Töchter dieses Hauses einzumischen?»
    «Selber Schuft!», brüllte ich. «Nenn mich noch einmal so, dann renne ich dir meinen Degen in die Luftröhre. Erinnere dich, ich habe dir standgehalten, als ich elf war. Jetzt bin ich ganz erwachsen, und bei Zeus, wenn du mich provozierst, verprügle ich dich wie … wie dein jüngerer Bruder das immer getan hat.» Dieser Hieb saß, und ich sah, wie Mick vor Wut blau anlief.
    «Das ist eine feine Art, sich der Familie zu empfehlen», sagte Fagan in beschwichtigendem Ton.
    «Das Mädchen ist alt genug, um seine Mutter zu sein», knurrte Mick.

    «Alt oder nicht», erwiderte ich, «jetzt pass mal auf, Mick Brady,» – und ich stieß einen furchtbaren Fluch aus, der hier nicht aufgezeichnet werden muss –«der Mann, der Nora Brady heiratet, muss zuerst mich töten – kannst du dir das merken?»
    «Bah, Sir», sagte Mick; er wandte sich ab. «Dich töten? Dich verprügeln, meinst du wohl? Ich lasse Nick, den Jäger, kommen, dass er’s erledigt», und er ging fort.
    Hauptmann Fagan trat nun zu mir, nahm mich freundlich bei der Hand und sagte, ich sei ein tapferer Bursche, ihm gefalle mein Mut. «Aber es stimmt, was Brady sagt», fuhr er fort. «Einem Burschen, der in einem so fortgeschrittenen Zustand ist wie Sie, kann man schwerlich einen Rat geben; doch glauben Sie mir, ich kenne mich in der Welt aus, und wenn Sie meinem Rat folgen, werden Sie es nicht bereuen. Nora Brady besitzt nicht einen Penny; Sie sind kein bisschen reicher. Sie sind erst fünfzehn, und sie ist vierundzwanzig. In zehn Jahren, wenn Sie alt genug zum Heiraten sind, wird sie eine alte Frau sein; und begreifen Sie denn nicht, armer Junge – das zu begreifen fällt einem nie leicht –, dass sie nur flirtet und weder auf Sie noch auf Quin auch nur das Geringste gibt?»

    Aber welcher Verliebte (oder wer überhaupt, was das angeht) hört schon auf guten Rat? Ich habe das nie getan, und ich sagte Hauptmann Fagan ganz einfach, Nora möge mich lieben oder nicht, wie es ihr gefiel, doch werde Quin mit mir kämpfen müssen, ehe er sie heirate – das schwor ich.
    «Ich glaube», sagte Fagan, «Sie sind wirklich einer, der sein Wort hält.» Ein paar Augenblicke musterte er mich scharf, dann ging auch er und summte dabei eine Melodie; ich sah, wie er sich noch einmal zu mir umdrehte, als er den Garten durch das alte Tor verließ. Als er fort war und ich ganz allein, warf ich mich auf die Bank,

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