Bruderschaft der Kueste
in das rote, entrüstete Gesicht seines Vaters und konnte plötzlich nur lächeln.
„Ich werde es Euch erklären, Vater“, meinte er schmunzelnd. Laute Schritte von beschlagenen Stiefeln eilten über den Gang draußen. Die Wachen kamen rasch heran. Simon warf einen Blick zur Tür hinüber. Sie mussten gehen, die Wachen waren gleich hier.
„Aber nicht hier und nicht jetzt!“, schloss Simon energisch, wirbelte herum, griff unter Miguels Umhang, fand rasch den Griff der Pistole und zog sie heraus.
Miguels Hand lag schon an seinem Degen. Verblüfft starrte er den jungen Engländer an, als Simon entschlossen die Waffe hob. Erschrocken wichen die anderen Gäste zurück.
„Simon!“, rief sein Vater mit weit aufgerissenen Augen entsetzt. „Was tust du nur? Bist du wahnsinnig geworden?“ Sein fassungsloses Gesicht tat Simon weh, dennoch, es gab für ihn nur diesen Weg.
„Ich tue, was ich tun muss!“, erklärte Simon schlicht und blickte seinen Vater verständnisvoll an.
Wie sollte dieser Mann ihn auch verstehen, dem er sein ganzes Leben lang nur eine Rolle vorgespielt hatte, die er nicht annähernd war.
„Ich muss endlich mein wahres Leben leben, Vater. Und das ist nicht an der Seite dieser Frau oder in diesem Haus“, erklärte er eindringlich. Er holte tief Luft und blickte zu Miguel hinüber. „Es ist an seiner Seite. Mit ihm!“, flüsterte er entschlossen, selbst erschrocken vor seinem Mut und der sicheren Erkenntnis, was sein wahres Schicksal war.
Miguel schaute ihn zärtlich an. Ein glückliches Lächeln breitete sich auf seinen Zügen aus. Simon musste an sich halten, ihn nicht zu küssen, denn sie mussten erst einmal hier herauskommen. Die Wachen würden Miguel sofort einsperren. Sie mussten von hier fliehen; er musste Miguel dieses Mal hier raus bringen. Was sein Vater täte, wenn er alles erfuhr, wagte sich Simon gar nicht auszumalen.
„Rasch, hinter mich!“, zischte er Miguel zu, als die Tür aufgestoßen wurde und die Soldaten hereinstürmten und sich unsicher umsahen.
„Bleibt, wo ihr seid!“, rief Simon ihnen zu, hob erneut die Pistole und schob sich vor Miguel, um ihn vor jedem Angriff zu schützen.
Sofort richteten sich die Gewehrläufe auf ihn. Simons Vater keuchte auf und rief erschrocken:
„Um Himmels willen, runter mit den Waffen, das ist doch mein Sohn!“
Augenblicklich senkten die Soldaten ihre Gewehre und blickten verwirrt zu ihm hinüber. Sie würden es jedoch wohl vorerst nicht wagen, Simon anzugreifen. Er wich zurück und stieß gegen Miguel, der seinen Degen nun auch gezogen hatte. „Verschwinden wir durch die Terrassentür!“, presste Simon leise durch die Lippen und wunderte sich, warum Miguel hinter ihm noch zögerte.
„Einen Moment noch“, gab der ebenso zurück.
Simon warf ihm einen verwunderten Blick zu, doch Miguel zuckte nur kurz mit den Schultern.
„Darauf freue ich mich schon die ganze Zeit!“, meinte er erklärend, erhob seine Stimme und ließ sie laut durch den Saal hallen:
„Besten Dank und viele Grüße von Jean Baptiste Ledoux, Lords und Ladies. Er lebt derzeit sicher in seinem Versteck auf der schönen Insel Tondre.“
Simons Vater öffnete den Mund und blickte ihn verblüfft stirnrunzelnd an. Miguel grinste selbstgefällig und Simon lauschte verblüfft, als er fortfuhr:
„Angreifbar ist er eigentlich nur im Norden, denn dort gibt es viele kleine Buchten, die man mit Beibooten unbemerkt erreichen kann. Es ist zwar ein etwas mühsamer Fußmarsch durch den Urwald, freilich gelangte man völlig unentdeckt gut mitten in die Ansiedlung. Dort sind meistens nur zehn bis zwanzig, oft betrunkene, Piraten, die das Ganze bewachen sollen. Idioten allesamt, die dürften leicht zu überwältigen sein ... umpf“
Miguel brach ab, krümmte sich zusammen, weil ihn Simons Ellenbogen in den Magen getroffen hatte. Zornig funkelte ihn dieser an und zischte ihm zu:
„Los geh schon!“
Damit schob er Miguel rückwärts hinaus. Hastig warf er einen Blick um sich und raunte ihm leise ärgerlich zu: „Bevor die es sich gleich anders überlegen. Für deine Rache ist hier keine Zeit!“
Miguel bewegte sich tatsächlich widerspruchslos und zügig zur Tür. Simon wich langsam, ihn deckend zurück. Sein Vater starrte ihn noch immer ungläubig an. Vermutlich würde er es nicht begreifen, was sein Sohn tat. Simon lagen tausend Worte auf der Zunge. Er konnte sie nicht aussprechen. Er würde ihm schreiben, warum er
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