Bruderschaft der Kueste
wenn er wahrhaftig ...
„Du bist wirklich ein ... ein Mörder?“, fragte er vorsichtig mit klopfendem Herzen nach. Er spürte einen dumpfen Druck auf seiner Brust, der ihm den Atem nahm. So wie Jean, dachte er schaudernd. Bitte nicht wie Jean ...
Miguels Grinsen veränderte sich nicht. Sein Körper schwang weiter vor und zurück im Rhythmus der Ruderschläge. Er zuckte sichtbar die Schultern.
„Klang irgendwie gut dabei“, meinte er nur lapidar. „Also bist du nicht ...“, begann Simon erneut langsam. Sein Herz schlug schneller, als er zu hoffen wagte. „Nein! Ich bin kein Mörder, Simon!“, unterbrach Miguel ihn sofort resolut. „Ein Dieb, ein Halunke, ein Bastard, aber kein Mörder!“
Simon verzog den Mund und spürte eine deutliche Erleichterung. Miguel war anders als Jean.
„Also vor allem ein Aufschneider!“, warf er ihm abwertend vor. Miguel verzog missmutig den Mund und schüttelte vehement den Kopf.
„Klingt nicht gut“, meinte er und klang offensichtlich enttäuscht. „Nicht so verrucht.“
Dann lachte er. Simon konnte nicht umhin, einzustimmen. Mit dem Lachen fiel die erste Anspannung von ihm und er blickte über das dunkle Meer. Er war frei. Frei von seinem Vater, frei von Jean, seinem bisherigen Leben, frei selbst zu entscheiden. Was würde dieses neue, völlig unbekannte Leben für ihn bereithalten?
Jede Sicherheit, alles Bekannte, alles Vertraute war fort. Miguel ruderte ihn hinaus auf einen Ozean, der sich kaum unbekannter, gefährlicher, weiter vor ihm erstrecken konnte, als sein zukünftiges Leben. Schweigend betrachtete er den Spanier und musterte den Mann vor sich. Diese Gefühle, die er für ihn empfand, waren neu und schwierig einzuschätzen. War es Liebe, die sie verband? Gab es Derartiges wirklich auch unter Männern? Leidenschaft, ja. Er hatte sie nur allzu deutlich gespürt. Aber Liebe? Lebenslange Liebe? War das möglich? „Dort liegt ein Schiff vor Anker, das uns nach Puerto Rico bringt“, durchbrach Miguel schließlich ihr Schweigen und deutete vor sie.
Simon erkannte vor ihnen die dunkle Silhouette eines kleinen Schiffes. Seufzend dachte er an seine erste Woche an Bord von Jeans Schiff und wusste, dass ihm Ähnliches wohl gerade wieder bevorstand. Sein Magen rumorte bereits. Puerto Rico also. Und dann? Wohin konnten sie gehen?
„Was dann?“, fragte er daher leise. „Was, wenn wir Puerto Rico erreicht haben?“
Miguel verhielt im Rudern und blickte ihn lange einfach nur an, zuckte die Achseln.
„Ich habe nicht die geringste Ahnung“, meinte er ohne Umschweife. „Ist es wichtig?“
Simon verspürte einen Anflug von Ärger. Wusste dieser Mann, was er alles für ihn aufgegeben hatte?
„Nun irgendwie schon!“, antwortete er etwas heftiger.„Irgendwo müssen wir leben und von irgendetwas.“
Abermals zuckte Miguel mit den Achseln, ließ das Boot jedoch weiter treiben.
„Bisher hat es auch geklappt“, meinte er lässig.
Der Mund zuckte, doch sein Gesicht blieb ernst. Simon schnaubte empört auf und funkelte ihn ärgerlich an.
„Mit Diebereien und Betrug?“, antwortete er abschätzig. „Ja“, antwortete Miguel schlicht. „Lukratives Geschäft.“ Erneut schnaubte Simon und wandte den Blick enttäuscht ab. „Das ist nicht meine Welt, Miguel“, meinte er bedauernd.
Er war nicht wie Miguel und wollte nie so werden. Er hatte es ja geahnt, dennoch schmerzte es, es auszusprechen. „Darin kann ich nicht leben“, erklärte er resignierend.
Miguel schwieg und begann abermals zu rudern. Simon schluckte schwer und starrte auf das weite Meer. Das bisschen Glück, das bisschen Freiheit, musste er es derart teuer erkaufen? Er würde so nicht leben können. Zu sehr war er ein Ehrenmann, ein wahrer Gentleman. Diese, Miguels Welt, Jeans Welt, die Welt der Unehrenhaften, sie würde ihm immer verschlossen bleiben.
In seinen Augen sammelten sich brennende Tränen, denen er keine Chance gab. Seine Kehle war zu eng und es war beschwerlich, sie runter zuschlucken. Keine wirkliche Zukunft! Nichts über ihre Leidenschaft hinaus dachte er resignierend.
Miguel räusperte sich vernehmlich, hatte unbemerkt das Rudern eingestellt und warf ihm einen langen Blick zu.„Nun ...“, begann er langsam und wartete, bis ihm Simon sein Gesicht zuwandte.
„Dann wäre da noch mein Anwesen in Spanien ...“, meinte er lächelnd. „Dort
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