Bruderschaft der Unsterblichen
den Engeln … Novize … Jesuit … Jesuit … Jesuit …“ Auf der anderen Seite sitzt Oliver allein. Beobachtet. Lächelt sein venusisches Lächeln. Er ist nur zu Besuch auf der Erde, das ist Oliver, der Mann aus der Fliegenden Untertasse.
Ich schätze Oliver als den tiefsinnigsten unserer Gruppe ein. Er weiß zwar nicht so viel wie Eli und macht auch nicht so einen scharfsinnigen Eindruck, aber er besitzt den mächtigeren Intellekt, da bin ich mir ganz sicher. Er ist außerdem der fremdartigste von uns, denn an der Oberfläche wirkt er so gesund und normal, was er aber in Wahrheit gar nicht ist. Eli hat von uns den gewitztesten Verstand, und er ist außerdem jener, der am meisten leidet, ständig in Schwierigkeiten steckt. Ned stellt sich als unser Schwächling dar, unsere zerbrechliche Elfe, aber man darf ihn nicht unterschätzen: Er weiß die ganze Zeit über, was er will, und er sorgt dafür, daß er es auch bekommt. Und ich? Was läßt sich über mich sagen? Gutes altes Joe-College. Die richtigen Familienbeziehungen, die richtigen Verbindungen, die richtigen Clubs. Im Juni werde ich einen Grad erlangen und dann ein glückliches Leben bis ans Ende meiner Tage führen. Zur Air Force gehen, ja, aber kein Kampfkommando annehmen – es ist alles schon arrangiert, unsere Gene sind zu wertvoll, um verschwendet zu werden –, dann finde ich eine passende anglikanische Debütantin mit garantierter Jungfräulichkeit, Angehörige der oberen Zehntausend, und dann werde ich mich niederlassen und den Gentleman spielen. Herr im Himmel! Dem Himmel sei Dank, daß Elis Buch der Schädel nichts anderes als abergläubischer Scheiß ist. Wenn ich ewig leben müßte, hätte ich mich nach zwanzig Jahren zu Tode gelangweilt.
15. KAPITEL
Oliver
Im Alter von sechzehn Jahren habe ich sehr oft an Selbstmord gedacht. Ganz ernsthaft. Es war keine Show, um mich interessant zu machen, kein romantisches Drama eines Heranwachsenden, kein Ausdruck dessen, was Eli eine willig-wollende Persönlichkeit nennen würde. Vielmehr war es eine ursächlich philosophische Position, falls ich hier einen so protzigen Begriff benutzen darf, die ich nach logischer und genauer Überlegung erreichte.
Was mich jedoch vor allem zum Selbstmordvorhaben führte, war der Tod meines Vaters im Alter von sechsunddreißig Jahren. Diese Tragödie blieb unfaßbar für mich. Natürlich war mein Vater keine besondere Spezies Mensch, ausgenommen für mich. Er war eben nur ein Farmer in Kansas. Um fünf Uhr morgens stand er auf, um einundzwanzig Uhr ging er zu Bett. Und über eine besondere Bildung verfügte er auch nicht. Er las lediglich die Lokalpresse und manchmal in der Bibel, obwohl ihm da vieles zu hoch war. Aber sein ganzes kurzes Leben hat er hart gearbeitet. Er war ein guter Mensch, ein Mann mit einer Aufgabe. Sein Vater hatte zuerst auf diesem Stück Land gearbeitet, und mein Vater arbeitete darauf, seit er zehn Jahre alt geworden war, abgesehen von ein paar Jahren, die er bei der Armee verbrachte; er holte die Ernte ein, zahlte die Schulden ab, brachte es mehr oder weniger zu einem gesicherten Auskommen, er schaffte es auch, seinem Besitz weitere vierzig Morgen Land hinzuzufügen, und dachte sogar daran, noch weiter zu expandieren. Zwischenzeitlich heiratete er, war ein guter Ehemann und zeugte Kinder. Er war kein aufgeschlossener Mensch – er hätte nichts von dem verstanden, was sich in diesem Land in den zehn Jahren seit seinem Tod alles getan hat –, aber er war auf seine Weise ehrbar und hat sich sicher das Recht auf einen zufriedenen Lebensabend erworben: auf der Veranda zu sitzen, seine Pfeife zu rauchen, im Herbst auf die Jagd zu gehen und den Söhnen die knochenbrechende Arbeit zu überlassen, während er das Wachstum seiner Enkel verfolgt. Aber er bekam keinen zufriedenen Lebensabend. Er kam noch nicht einmal in die mittleren Jahre. Krebs keimte in seinem Bauch, und er starb schnell; er starb unter Schmerzen, aber er starb schnell.
Das ließ meinen Gedanken keine Ruhe. Wenn es so leicht ist zu sterben, wenn man täglich mit der Befürchtung leben muß, daß der Tod eintritt, und nie genau weiß, wann es soweit sein wird – lohnt sich dann das Leben überhaupt? Warum dem Tod das Vergnügen machen, einen holen zu können, wenn man am wenigsten auf das eigene Sterben gefaßt ist? Am besten verschwindet man von selbst, und zwar so früh wie möglich, um der Ironie zu entgehen, daß man als Strafe dafür hinweggerafft wird, daß man aus seinem
Weitere Kostenlose Bücher