Bruderschaft der Unsterblichen
Wohltätigkeitsveranstaltungen und das bevorstehende Debüt ihrer Stieftochter. („Ist sie eine Schauspielerin?“ fragte Mrs. Steinfeld verblüfft. „Ich meine ihren großen Debütantinnenball“, sagte Saybrook ebenso verblüfft.) Mein Vater studierte oft intensiv seine Fingernägel und sah verwundert auf die Steinfelds und Eli und wollte es einfach nicht glauben. Mr. Steinfeld wollte Konversation betreiben und sprach mit meinem Vater über die Effektenbörse. Mr. Steinfeld besitzt keine Aktien, aber er liest die Times sehr sorgfältig. Mein Vater hat keine Ahnung von der Börse; solange die Dividenden regelmäßig eintreffen, ist er zufrieden; davon abgesehen gehört es zu seiner Weltanschauung, niemals über Geld zu reden. Er gibt Saybrook ein Signal, die flink das Thema wechselt und uns davon berichtet, daß sie Vorsitzende eines Komitees ist, welches einen Fond für palästinensische Flüchtlinge gegründet hat. Sie wissen doch, sagt sie, das sind die, die von Juden vertrieben wurden, als Israel gegründet wurde. Mrs. Steinfeld keucht. So etwas vor einem Mitglied der Hadassah zu sagen! Mein Vater zeigt jetzt über den Hof auf einen ausgesucht langhaarigen Kommilitonen, der sich gerade umgedreht hat, und sagt: „Ich hätte schwören können, daß dieser Bursche ein Mädchen sei, bis er sich hierhergedreht hat.“ Oliver, der sich das Haar bis auf die Schulter hat wachsen lassen, vermutlich um zu zeigen, was er von Kansas hält, bedenkt meinen Vater mit seinem kältesten Lächeln. Unverzagt, oder vielleicht hat er gar nichts bemerkt, fährt mein Vater fort: „Ich mag mich da ja irren, aber ich kann einfach nicht anders, als bei den meisten dieser jungen Männer mit den wallenden Locken zu vermuten, daß sie, na Sie wissen schon, homosexuell veranlagt sind.“ Ned muß darüber laut lachen. Neds Mutter läuft rot an und hustet nicht etwa, weil sie weiß, daß ihr Sohn schwul ist (sie weiß es nicht – diese Vorstellung wäre unglaublich für sie), sondern weil dieser vornehm aussehende Mr. Winchester so ein anstößiges Wort bei Tisch gebraucht hat. Die Steinfelds, die sehr rasch begreifen, sehen erst Ned an, dann Eli und dann sich selbst – eine ziemlich komplexe Art der Reaktion. Ist ihr Sohn auch sicher mit so einem Zimmergenossen? Mein Vater kann gar nicht begreifen, was seine beiläufige Bemerkung angerichtet hat, und weiß nicht, wie und wofür er sich entschuldigen soll. Er runzelte die Stirn, und Saybrook flüsterte ihm etwas zu – tz, tz, Saybrook! Flüstern in der Öffentlichkeit, was würde Emily Post dazu sagen? Und er antwortet, knallrot wie eine Tomate, der Ton nähert sich dem Infrarot. „Vielleicht sollten wir Wein bestellen“, sagt er laut, um seine Konfusion zu verbergen und winkt gebieterisch einem studentischen Kellner. „Haben Sie Chassagne-Montrachet ’69?“ fragte er. „Bitte?“ antwortet der Kellner bestürzt. Dann wird ein Eiskelch gebracht, der eine Flasche Liebfrauenmilch zu drei Dollar enthält, das Beste, was man anzubieten hat. Mein Vater bezahlt mit einem funkelnagelneuen Fünfziger. Neds Mutter starrt ungläubig auf die Rechnung. Die Steinfelds starren meinen Vater böse an und glauben, er wolle sie heruntermachen. Eine einzige wunderbare Episode, dieser ganze Mittag. Später zieht Saybrook mich beiseite und sagt: „Dein Vater ist sehr verlegen. Hätte er gewußt, daß Eli, nun, äh, sich zu anderen Jungen hingezogen fühlt, hätte er diese Bemerkung nie gemacht.“
„Nicht Eli“, sagte ich. „Eli ist normal. Es ist Ned.“
Saybrook ist aufgeregt. Sie glaubt, ich wolle sie auf den Arm nehmen. Sie möchte sagen, daß sie und mein Vater hoffen, ich ficke nicht mit einem von ihnen herum, egal wer nun der Schwule ist, aber sie ist viel zu gut erzogen, um so etwas zu sagen. Statt dessen wechselt sie in den folgenden drei Minuten auf Small-talk um, eist sich vorsichtig los und geht zu meinem Vater zurück, um ihm von der neuesten Verwicklung zu berichten. Ich beobachte, wie die Steinfelds aufgebracht auf Eli einreden; zweifellos machen sie ihm die Hölle heiß, weil er mit so einem gemeinen Lustmolch zusammenwohnt, und warnen ihn eindringlich, diesem Faigele fernzubleiben, wenn es nicht bereits (oy! weh!) zu spät ist. Nicht weit davon entfernt kommt es auch zwischen Ned und seiner Mutter zum Generationskonflikt. Ich bekomme vereinzelte Satzfetzen mit: „Die Schwestern beten für dich … wende dich dem heiligen Kreuz zu … Novena … Rosenkranz … dein Vater bei
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