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Bruderschaft der Unsterblichen

Bruderschaft der Unsterblichen

Titel: Bruderschaft der Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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formierten und Unansehnlichen.
    Eine Zeitlang beobachtete ich sein Treiben. Ich ve r schwende zuviel Zeit damit, alles zu beobachten. Ich sol l te viel mehr ausgehen und herumtigern. Wenn Größe und Intellekt hier die geläufigen Umgangsformen waren, warum sollte ich dann nicht damit hausieren gehen und sehen, was es mir einbringen würde? Stehst du denn so über den fleischlichen Dingen, Eli? Schmink dir das mal rasch wieder ab; du bist Mädchen gegenüber einfach zu unbeholfen. Ich kaufte mir einen Whisky sour (Schon wieder die Fünfziger! Wer trinkt heute noch Mix-Getränke?) und wandte mich von der Bar ab. Man ist nur so unbeholfen, wie man sich fühlt. Ich stieß mit einem kleinen dunkelhaarigen Mädchen zusammen und ve r schüttete die Hälfte meine Drinks. „Oh, das tut mir aber leid“, sagten wir beide gleichzeitig. Sie sah erschrocken aus, wie ein furchtsames Reh: schlank, zarte Glieder, mochte ein Meter fünfzig groß sein, leuchtende, feierl i che Augen und eine hervorstehende Nase (scheines Ma i dele, ein Mitglied meiner Rasse!). Eine türkisfarbene, halbdurchsichtige Bluse enthüllte den darunterliegenden rosafarbenen BH und deutete damit auf die Ambivalenz herrschender Sitten hin. Unsere Schüchternheit entzünd e te einen Funken. Ich spürte Hitze im Unterleib, fühlte die Hitze der Wangen und empfing von ihr die angenehme Wärme gegenseitiger Verbrennung. Manchmal erwischt es einen so total, daß man sich fragt, warum alle Umst e henden nicht applaudieren. Wir fanden einen kleinen Buchstabentisch und stellten uns murmelnd und mit he i serer Stimme vor. Mickey Bernstein, angenehm, Eli Steinfeld. Eli, Mickey. Was macht ein hübsches Mä d chen wie du in so einem Lokal?
    Sie studierte im zweiten Jahr am Hunter, hauptsäc h lich Verwaltung, ihre Familie war aus Kew Garden; sie teilte sich mit vier anderen Mädchen ein Apartment an der Kreuzung Dritte und Siebzigste Straße. Ich glaubte schon, ich hätte unser Nachtquartier gefunden – man ste l le sich einmal vor, Eli, der Schmendrick, trifft ins Schwarze! –, aber rasch gewann ich den Eindruck, daß es sich bei dem Apartment in Wahrheit um zwei Schla f zimmer und eine Kochnische handelte und es kaum so viele Leute aufnehmen konnte. Gleich vorab erklärte sie mir, daß sie nicht sehr oft zu Single-Plätzen ginge, e i gentlich nie. Aber ihre Zimmergenossin hatte sie heute abend hinauskomplimentiert, um den Beginn der Osterf e rien zu feiern – diesen Wink hatte ihr die Zimmergeno s sin gegeben, eine lange, dürre, pickelgesichtige und ei n fältige Person, die ganz ernsthaft einem herumziehenden zottigen Barttypen ihre Gunst schenkte, der sich wie ein Hippie von 1968 kleidete und deshalb sei sie hier, fühlte sich unbehaglich, vom Krach taub gemacht, und ob ich ihr bitte einen Cherry-Cola bestellen würde. Eli Stei n feld, der galante Mann von Welt, hielt einen vorübere i lenden Kellner an und gab die Bestellung weiter. Einen Dollar, bitte. Verdammt, Mickey fragte, was ich studie r te. Hereingefallen. Also, Herr Pedant, enthüllen Sie sich! „Frühe mittelalterliche Philologie“, sagte ich. „Die De s integration des Lateinischen in den romanischen Spr a chen. Ich könnte dir obszöne Balladen in Provençalisch vorsingen, wenn ich singen könnte.“ Sie lachte etwas zu laut. „Oh, meine Stimme klingt auch schrecklich“, rief sie. „Aber du kannst ja etwas rezitieren, falls du möc h test. “ Schon griff sie nach meiner Hand, nachdem ich zu paukerhaft gewesen war, nur daran zu denken, ihre zu nehmen. Ich sprach die Worte halb brüllend gegen den Lärm:
     
    Can rei la luzeta mover
    De joi sas alas contral rei,
    Que s . oblid . es laissa chazer
    Per la doussor c . al cor li vai …
     
    Und so weiter. Ich beeindruckte sie völlig. „War das sehr schlüpfrig?“ fragte sie, als ich fertig war.
    „Überhaupt nicht. Es war ein zärtliches Liebeslied. Von Bernart de Ventadorn, zwölftes Jahrhundert.“
    „Du hast es wunderbar rezitiert.“ Ich übersetzte das Lied und spürte, wie ich mich in einen Schmeichelrausch hineinsteigerte. Nimm mich, besorg es mir, schienen ihre Gedanken zu senden. Ich rechnete mir aus, daß sie neunmal mit zwei verschiedenen Männern Beischlaf g e habt hatte und immer noch ganz aufgeregt ihren ersten Orgasmus erwartete, während sie auf der anderen Seite sicher ordentlich mit der Sorge beschäftigt war, ob sie ihren Körper zu zwanglos anbot. Ich hatte den festen Willen, mein Bestes zu geben. Ich flüsterte ihr ins O

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