Bruderschaft der Unsterblichen
hr und gab kleine provenç alische Kostbarkeiten von mir. Aber wie sollten wir hier herauskommen? Und wo wol l ten wir hin? Verzweifelt sah ich mich um. Timothy hatte den Arm um eine aufregende Schöne mit wallenden Ka s kaden von leuchtendem rotbraunem Haar gelegt. Oliver waren zwei Puppen ins Netz gegangen, eine Brünette und eine Blondine – der Charme des Landjungen war wieder voll zugange. Ned machte noch immer seinem fetten V ö gelchen den Hof. Vielleicht hatte einer von ihnen schon Erfolg gehabt: ein Apartment ganz in der Nähe, mit e i nem Schlafzimmer für jeden. Ich wandte mich wieder Mickey zu, und sie sagte: „Wir wollen am Samstag eine kleine Party geben. Ein paar wirklich tolle Musiker kommen auch, ich meine natürlich klassische, und falls du Zeit und Lust hast, könntest du …“
„Am Samstag bin ich längst in Arizona.“
„Arizona! Kommst du da her?“
„Ich bin aus Manhattan.“
„Aber warum – ich meine, ich habe noch nie davon gehört, daß jemand zu Ostern nach Arizona fährt. Ist das ein neuer Trend?“ Ein dämliches Lächeln auf ihren Li p pen. „Verzeihung. Du hast wahrscheinlich eine Freundin da?“
„Nein, was ganz anderes.“
Sie wand sich, weil sie nicht neugierig sein wollte, auf der anderen Seite aber nicht wußte, wie sie dieses Verhör beenden sollte. Dann purzelte der unvermeidliche Satz heraus: „Warum fährst du dann dorthin?“ Und ich wußte nicht mehr weiter. Was sollte ich sagen? Eine Vierte l stunde lang hatte ich noch die übliche Rolle gespielt: ein scharfes älteres Semester auf der Jagd in einer East-Side-Single-Bar, ein ängstliches, aber letztlich williges Mä d chen, macht sie mit einer Prise esoterischer Poesie an, die Blicke treffen sich über dem Tisch, wann kann ich dich wiedersehen, eine kurzlebige Oster-Romanze, Danke für alles, auf Wiedersehen. Der übliche studentische Ablauf der Dinge. Aber ihre Frage hatte unter meinen Füßen eine Falltür geöffnet und mich in eine andere Welt fallen lassen, eine Welt der Phantasie, eine Traumwelt, in der junge Männer ernsthaft mit der Möglichkeit spekulieren, ihren Tod für immer zu bannen, wo gerade erst flügge gewordene Schüler dusselig genug waren, sich selbst dazu zu bringen, daran zu glauben, sie hätten merkwü r dige Manuskripte gefunden, die die Geheimnisse alter, mystischer Kulte enthüllten. Jawohl, könnte ich sagen, wir gehen auf die Suche nach dem geheimnisvollen Hauptquartier der Bruderschaft der Schädel, weißt du, wir hoffen, wir können die Hüter davon überzeugen, daß wir als Kandidaten für ihre Prüfung geeignet sind. Und wenn wir dann aufgenommen werden, muß natürlich e i ner von uns fröhlich zum Wohl der übrigen aus dem L e ben scheiden, und ein anderer wird ermordet. Aber wir sind darauf vorbereitet, denn zwei Glückliche werden niemals sterben. Schönen Dank, Baron Münchhausen, genauso. Wieder spürte ich den herben Geschmack der Ungereimtheit, der Verwirrung, als ich beides gege n überstellte: unsere momentane Manhattan-Umgebung und meinen unglaubwürdigen Traum von Arizona. Sieh mal, könnte ich sagen, manchmal erweist es sich als no t wendig zu glauben, das Mystische zu akzeptieren, sich selbst zuzugestehen, daß das Leben nicht nur aus Disk o theken, U-Bahnen, Boutiquen und Klassenzimmern b e steht. Du mußt daran glauben, daß metaphysische Mäc h te existieren. Hast du dich schon einmal mit Astrologie befaßt? Natürlich hast du das; und du weißt auch, was die New York Times von solchen Dingen hält. Also versuche doch einmal, dein Zugeständnis etwas weiter auszude h nen, so wie wir das gemacht haben. Lege deine hausg e machte, dem Trend der Zeit entsprechende Verleugnung des Unmöglichen ab und erlaube dir selbst, die Möglic h keit einzuräumen, daß eine Bruderschaft existieren kön n te, daß eine Prüfung stattfinden könnte, daß das Leben ewig andauern könnte. Wie kann man etwas leugnen, ohne sich vorher damit beschäftigt zu haben? Kannst du das Risiko auf dich nehmen, falsch zu liegen? Also, wir fahren nach Arizona, wir vier, der große Fleischkloß mit dem Armee-Haarschnitt und der griechische Gott dort drüben, der begierig aussehende Bursche dort drüben, der mit dem fetten Mädchen spricht, und ich: Und obwohl einige von uns stärker glauben als andere, gibt es keinen unter uns, der nicht zumindest teilweise an das Buch der Schädel glaubt. Pascal entschied sich für den Glauben, weil damals die Verhältnisse für den Ungläubigen schlecht waren;
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