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Bruderschatten

Bruderschatten

Titel: Bruderschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
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Christopher zur ersten Stunde in die Schule gebracht, seitdem bin ich hier. Fertig.«
    Es klang mehr resigniert als aggressiv.
    Bis 23 Uhr hatte gestern noch eine Regierungskommission getagt, um einen Kompromiss bei der Erhöhung der Rentenbeiträge auszuhandeln. Die Koalition wollte um einen dreiviertel Prozentpunkt erhöhen, die Opposition lehnte ab. Nichts Aufregendes also, nur der übliche politische Schlagabtausch zwischen den Lagern. Doch das Ergebnis sollte in die Morgenausgabe, und das bedeutete Nachtarbeit und frühes Aufstehen. Cornelius’ Anwesenheit war nicht unbedingt notwendig. Es hätten ebenso gut seine beiden Stellvertreter einspringen können, aber das ließ er nicht zu, und ich muss gestehen, dass ich all die Frauen verstand, die es nur kurz mit ihm aushielten. Er stopfte seine Zeit voll mit angeblich unaufschiebbaren Redaktionsterminen, und die wenigen Stunden, die er erübrigen konnte, verbrachte er mit seinem Sohn. Jahrelang hatte ich es mit den Männern, mit denen ich kurzzeitig zusammen war, ebenso gehalten. Gemeinhin nannte man es Flucht. Bitte nicht zu viel Nähe, bloß nicht zu intensiv auf einen anderen Menschen einlassen. Es könnte ja wehtun und der Schmerz unheilbar sein.
    »Schon gut«, lenkte ich ein.
    »Wann fährst du los?«, fragte er.
    »Gleich nach der Morgenkonferenz. Ich will vor dem Interview bei meinem Vater vorbeischauen und ihn fragen, ob ich noch etwas besorgen soll. Alex, Max und ich wollen ihm das Wochenende über Gesellschaft leisten. Er braucht nach Eddies Beerdigung ein bisschen Abwechslung.«
    »Braves Mädchen.«
    Cornelius grinste mich an. Es war ein jungenhaftes Lächeln, das die missmutige Falte zwischen den Brauen wegwischte und das morgenmüde Blau seiner Iris mit hellen Pünktchen füllte. In solchen Momenten blickten seine Augen mit einer Aufmerksamkeit, der fast niemand widerstehen konnte.
    »Du musst dich rasieren«, sagte ich.
    »Wenn du meinst.«
    Er nahm einen Trockenrasierer aus der Schreibtischschublade.
    »Cornelius, nicht jetzt.«
    Er ignorierte meinen Einwand und sah mich an, während er sein Kinn rasierte.
    »Wie geht’s denn so?«, fragte er schließlich.
    »Du meinst wegen der Schwangerschaft?«
    Er nickte.
    »Ganz okay. Na ja. Manchmal ist mir übel. Manchmal bin ich zum Umfallen müde.«
    »Verstehe ich gut, das ist mein Dauerzustand. Weiß Alex es inzwischen?«
    Ich schluckte. Wieso musste er jetzt damit anfangen?
    »Also nicht«, sagte er. »Julie, so geht das nicht weiter. Auch wenn er keine Kinder will, so hat er doch ein Recht darauf, es zu erfahren, bevor …«
    Jedes Wort traf mich wie ein Pfeil, der aus nächster Nähe abgeschossen wurde, und hakte sich in meinem Gehirn fest.
    »Halt dich da raus«, unterbrach ich ihn. Der Gedanke, mit Alex über meine Schwangerschaft zu reden, war unerträglich.
    »Julie, ich bin dein Freund. Ich glaub sogar, dein bester …«
    »Dann verschon mich mit deinen Ratschlägen.«
    »Du kannst es abtreiben.«
    »Halt den Mund!«
    »Und wenn du es kriegen willst und er sich nicht damit arrangiert, bist du besser dran, wenn du es so schnell wie möglich hinter dich bringst.«
    Cornelius und Alex hatten sich kennengelernt, als Alex mich eines Tages überraschend in der Redaktion abgeholt hatte. Ihre gegenseitige Abneigung war unbestreitbar. Cornelius nannte Alex einen verkappten Streber, der pompös und selbstbewusst daherrede, dabei jedoch nichts anderes als Allgemeinplätze verbreite. Alex nannte Cornelius nicht weniger schmeichelhaft einen karrieregeilen Wichtigtuer mit einer unterdrückten Wut in den Augen, die jederzeit ausbrechen könne. Ich übte mich darin, die beiden nicht aufeinandertreffen zu lassen und mit dem einen nicht über den anderen zu sprechen. Letzteres hatte ich soeben vermasselt.
    »Bist du mein Seelenklempner?«, fuhr ich ihn an, wütender auf mich selbst als auf ihn. »Hast du die Sache mit Viktoria etwa nicht hinausgezögert?«
    Er hatte ganze vier Monate gebraucht, um ihr zu sagen, dass er Witwer und alleinerziehend war.
    Natürlich sagte er: »Fang nicht von Viktoria an.«
    »Du hast sie monatelang belogen.«
    Das war eine Tatsache, kein Urteil.
    »Und kaum habe ich es ihr erzählt, hat sie mich betrogen. Noch dazu mit so einem bescheuerten Youngster.«
    »Der Youngster ist 34 und Anwalt. Und im Übrigen sehr charmant«, sagte ich. »Außerdem bist du doch das beste Beispiel dafür, wohin die Wahrheit führen kann. Also hör bitte auf, mir zu sagen, was ich tun soll.«
    »Du hast

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