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Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
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Gleichzeitig schaute sie sich nach allen Richtungen um, während das Gefühl der Drohung langsam verschwand. Kein Drache war zu sehen; die Gefahr war vorübergezogen.
    Vorsichtig löste Danira sich aus ihrer Deckung, und sie suchte sich einen Weg an der Flanke des Hügels entlang. Etwa zweihundert Schritte vor ihr war ein weiteres Gebüsch, das ihr die Möglichkeit bieten würde, sich zu verstecken. So wie alle Menschen, die in Car-Elnath lebten, achtete sie stets darauf, wo es die nächste Deckung gab. Entgegen ihren Instinkten bewegte sie sich nun nicht mit eiligen Schritten, und ihre Augen suchten nicht den Himmel ab, sondern waren nach unten gerichtet. Der Winter war gerade erst vergangen, und die meisten Pflanzen waren noch nicht wieder aus ihrer Ruhe erwacht. Der Boden war mit Gras bedeckt, dazwischen standen vertrocknete Stängel oder halb verrottete Blätter von Kräutern und Wiesenblumen. Es war in dieser Jahreszeit nicht leicht, die Aenea-Zwiebel zu finden, doch Danira war fest entschlossen, nicht aufzugeben, solange die Sonne noch am Himmel stand.
    Als sie das Gebüsch erreichte, sprangen zwei Halas daraus hervor und wandten sich mit aufgeregten Pfeiftönen zur Flucht. Danira sah den kleinen braunen Vögeln hinterher, während diese in raschem Tempo davonliefen und mit ihren nutzlosen Stummelflügeln wedelten. Die Halas hätten eine reichliche Mahlzeit ergeben können, aber nun war keine Zeit für die Jagd. Das Mädchen drang in den Schutz der Zweige ein und nutzte die Gelegenheit, um sich in Ruhe nach allen Richtungen umzusehen. Nichts bewegte sich am Himmel über der Stadt und dem Hügelland, das sich nach Süden und Osten hin ausbreitete, und so setzte Danira ihre Suche ohne zu verweilen fort. Die Sonne stand schon dicht über dem Horizont, als sie endlich die verwelkten Überreste eines langen schlanken Blattes im Gras erspähte. Sofort sank sie auf die Knie und begann mit dem kleinen Messer, das ihrem Vater gehört hatte, den Boden aufzuwühlen. Schnell hatte sie die Zwiebel freigelegt, und befriedigt stellte sie fest, dass es tatsächlich eine Aenea war. Sie war ein vorzügliches Mittel gegen Fieber, und bestimmt würde sie dem kleinen Crealas helfen, der schon seit Tagen krank im Bett lag. Hastig sah sie sich um, ob vielleicht noch eine weitere der begehrten Pflanzen hier wuchs, doch sie wurde nicht fündig. Sie hoffte, dass eine der Zwiebeln genügen würde, und machte sich eilig auf den Rückweg in die Stadt.
    Erst nachdem Danira das zerstörte Stadttor passiert hatte und in das weite Ruinenfeld eingetaucht war, fühlte sie sich wieder sicher. Die Sonne stand nun so niedrig, dass die Stadt in Schatten gehüllt war, und viele Bewohner nutzen das Zwielicht, um die Trümmer zu durchstreifen. Danira kümmerte sich nicht um die anderen Menschen und eilte durch die Straßen, die mit Steinen, Ziegeln und verkohlten Balken übersät waren. Nur am alten Palast verharrte sie kurz, denn dicht am Weg stand ein Mann zwischen den Trümmern, der ihr trotz des schwindenden Lichts sofort auffiel. Er bewegte sich nicht wie die anderen Bewohner der Stadt, die meist nervös zwischen den Trümmern und dem Himmel hin- und herblickten. Ganz ruhig stand er da, oben auf einer Mauer, wo jeder Drache ihn sofort sehen würde. Er war hochgewachsen und schlank, sein Haar war kurz geschnitten, und eine besondere Ausstrahlung schien von ihm auszugehen. Für einen Moment sah Danira zu ihm hin und überlegte, ob sie ihn ansprechen sollte, dann aber entschied sie sich dagegen. Crealas ging es sehr schlecht, und er brauchte nun dringend den Sud der Aenea-Zwiebel.
    *
    Erschrocken riss Deryn am Zügel seiner Craith-Echse, als er am Himmel über dem westlichen Horizont den Drachen erblickte. Das Reittier zischte unwillig, dann stoppte es seinen schlingernden Gang und schwenkte gemächlich seinen mächtigen Kopf hin und her. Deryns Blick war starr nach Westen gerichtet, wo das flache Grasland allmählich in eine grüne Hügellandschaft überging. Der Himmel dort hatte sich rot gefärbt, doch die Sonne selbst war hinter einem Schleier von Wolken verborgen. Gegen den hellen Hintergrund hob sich scharf umrissen die Silhouette des Drachen ab. Die Flügel des Tieres bewegten sich langsam und majestätisch, sein langer, biegsamer Hals war weit nach vorne gestreckt. Deryn ließ sich aus dem Sattel gleiten und trat neben den Kopf seiner Reitechse. Der anfängliche Schrecken wich langsam von ihm, denn der Drache war noch weit entfernt. Sanft

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