Brunetti 02 - Endstation Venedig
hier mehr Sicherheit zu finden als in Mailand.«
»Es war gewiß ein ungewöhnliches Verbrechen«, meinte Brunetti.
Viscardi blieb kurz stehen, sah Brunetti flüchtig von der Seite an, und ging dann weiter. »Bevor ich hierher gezogen bin, hatte ich geglaubt, Verbrechen seien in Venedig überhaupt ungewöhnlich.«
»Sie sind sicher weniger gewöhnlich als in anderen Städten, aber Kriminalität gibt es hier auch«, erklärte Brunetti und setzte dann hinzu: »und Kriminelle.«
»Darf ich Sie zu einem Drink einladen, Commissario? Wie nennt ihr Venezianer das, ›un' ombra ‹?«
»Ja, ›un' ombra ‹, gern.« Zusammen gingen sie in eine Bar, die am Weg lag, und Viscardi bestellte zwei Gläser Weißwein. Als diese kamen, reichte er Brunetti eines und hob sein eigenes. »Cin, cin «, sagte er. Brunetti antwortete mit einem Nicken.
Der Wein hatte einen scharfen Beigeschmack und war ganz und gar nicht gut. Wäre Brunetti allein gewesen, hätte er ihn stehenlassen. Statt dessen nahm er noch einen Schluck, begegnete Viscardis Blick und lächelte.
»Ich habe letzte Woche mit Ihrem Schwiegervater gesprochen«, sagte Viscardi.
Brunetti hatte sich schon gefragt, wie lange es wohl dauern würde, bis er zur Sache kam. Er nippte an dem Wein. »Ja?«
»Wir hatten eine Reihe von Dingen zu besprechen.«
»Ja?«
»Nachdem das Geschäftliche erledigt war, erwähnte der Conte Ihre verwandtschaftlichen Beziehungen. Ich muß zugeben, daß ich zuerst überrascht war.« Wie Viscardis Ton zu entnehmen war, hatte es ihn vor allem überrascht, daß der Conte seiner Tochter die Heirat mit einem Polizisten erlaubt hatte, besonders mit diesem Polizisten. »Überrascht, weil es ja wirklich ein Zufall ist, verstehen Sie?« fügte Viscardi etwas verspätet hinzu und lächelte wieder.
»Natürlich.«
»Es war, um ehrlich zu sein, ermutigend für mich, zu hören, daß Sie mit dem Conte verwandt sind.« Brunetti sah ihn fragend an. »Ich meine, das gibt mir die Möglichkeit, offen mit Ihnen zu reden, wenn ich darf.«
»Aber bitte, Signore.«
»Dann muß ich Ihnen sagen, daß einige Dinge bei diesen Ermittlungen mich etwas befremdet haben.«
»Inwiefern, Signor Viscardi?«
»Nicht zuletzt«, begann Viscardi, wobei er sich Brunetti mit einem unverstellt freundlichen Lächeln zuwandte, »geht es darum, wie ich von Ihren Polizisten behandelt wurde.« Er hielt inne, trank, und versuchte es mit einem neuen Lächeln, diesmal einem bewußt zurückhaltenden. »Ich darf doch offen reden, Commissario?«
»Aber sicher, Signor Viscardi. Nichts wäre mir lieber.«
»Dann lassen Sie mich sagen, daß ich den Eindruck hatte, Ihre Polizisten sähen in mir eher einen Verdächtigen als ein Opfer.« Als Brunetti darauf nichts sagte, fügte Viscardi hinzu: »Das heißt, es kamen zwei ins Krankenhaus, und beide stellten mir Fragen, die wenig mit dem Verbrechen zu tun hatten.«
»Und was waren das für Fragen?«
»Einer wollte wissen, woher ich wußte, was es für Bilder waren. Ich werde doch wohl meine Bilder erkennen. Und der andere fragte mich, ob ich den jungen Mann auf dem Foto wiedererkenne, und schien sehr skeptisch, als ich das verneinte.«
»Nun, das haben wir geklärt«, sagte Brunetti. »Er hatte nichts damit zu tun.«
»Aber Sie haben keine neuen Verdächtigen?«
»Leider nicht«, antwortete Brunetti und überlegte, warum Viscardi so darauf bedacht war, sein Interesse an dem jungen Mann auf dem Foto herunterzuspielen. »Sie sagten, es waren mehrere Dinge, die Sie irritiert haben, Signor Viscardi. Das war bisher eines. Darf ich fragen, was die anderen waren?«
Viscardi hob das Glas an die Lippen und stellte es wieder ab, ohne getrunken zu haben. »Ich habe erfahren, daß über mich und meine Belange Erkundigungen eingeholt wurden.«
Brunetti riß in gespieltem Erstaunen die Augen auf. »Sie nehmen hoffentlich nicht an, daß ich in Ihrem Privatleben herumschnüffeln würde, Signor Viscardi.«
Viscardi stellte unvermittelt sein noch fast volles Glas auf den Tresen und sagte laut und deutlich: »Widerliches Zeug.« Als er Brunettis Erstaunen bemerkte, setzte er hinzu: »Der Wein natürlich. Ich fürchte, wir haben nicht das richtige Lokal gewühlt.«
»Nein, besonders gut ist er wirklich nicht«, stimmte Brunetti ihm zu und stellte sein leeres Glas neben Viscardis.
»Ich wiederhole, Commissario, daß Erkundigungen über meine Geschäfte eingeholt wurden. So etwas kann nicht gut ausgehen. Es tut mir leid, aber jedes weitere Eindringen in
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