Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune
der Außenleiter setzend, mit dem Rücken zum Boot ins Wasser, wohin der andere ihm unverzüglich folgte.
»Lassen die sich nicht immer rückwärts hineinfallen?« fragte Vianello.
»Nur bei Jacques Cousteau«, antwortete Bonsuan, dann ging er in seine Kabine zurück. Sekunden später war er mit einer brennenden Zigarette in der hohlen Hand wieder da. »Was hat man dir sonst noch gesagt?« fragte er den Sergente.
»Die Carabinieri vom Lido«, begann Vianello, worauf Bonsuan ihn mit einem stimmlosen »Sauhunde« unterbrach, das Vianello überhörte, »die haben angerufen und gemeldet, hier lägen zwei Tote in einem gesunkenen Boot, wir sollten Taucher schicken, die mal nachgucken.«
»Sonst nichts?« fragte Bonsuan.
Vianellos Achselzucken sollte heißen: Was kann man von Carabinieri schon erwarten?
Schweigend sahen die beiden den Luftblasen zu, die jetzt vor ihnen aus dem Wasser aufstiegen. Langsam zog der Ebbstrom ihr Boot nach hinten fort. Bonsuan ließ das ein paar Minuten geschehen, dann ging er in die Kabine, schaltete den Motor an und lenkte das Boot wieder hinter die Lücke. Er stellte den Motor ab, kam wieder an Deck, hob eine Leine vom Deck auf und warf sie mühelos zu dem Feuerwehrboot hinüber, wo sie sich beim ersten Versuch um eine Klampe legte, so daß er ihr Boot an dem anderen festmachen konnte. Unter ihnen sahen sie Bewegungen, aber es war immer nur ein kurzes Aufschimmern, dem sie nichts entnehmen konnten. Bonsuan rauchte seine Zigarette zu Ende und warf die Kippe einfach über Bord, völlig gedankenlos wie die meisten Venezianer. Die beiden Männer sahen den Filter zwischen den aufsteigenden Luftblasen an der Oberfläche tanzen, sich schließlich losreißen und fortschwimmen.
Nach etwa fünf Minuten kamen die Taucher nach oben und schoben ihre Masken zurück. Graziano, der ranghöhere von beiden, rief den Männern auf dem Polizeiboot zu: »Zwei Männer sind da unten.«
»Was ist passiert?« fragte Vianello.
Graziano schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Sind anscheinend ertrunken, als ihr Boot unterging.«
»Das sind doch Fischer«, sagte Bonsuan ungläubig. »Die würden nicht mit einem sinkenden Boot untergehen.«
Grazianos Arbeit war Tauchen, nicht Nachdenken über das, was er da unten fand, also sagte er nichts. Als Bonsuan weiter schwieg, fragte der andere, der neben Graziano an der Oberfläche trieb: »Sollen wir sie raufbringen?«
Vianello und Bonsuan wechselten einen Blick. Sie hatten beide keine Ahnung, wie es zugegangen war, daß zwei Männer mit ihrem Boot versunken waren, aber eine derartige Entscheidung mochten sie nicht treffen, weil die Gefahr bestand, dort unten eventuell vorhandene Beweise zu vernichten.
Schließlich sagte Graziano: »Die Krabben sind schon dran.«
»Also gut, rauf damit«, sagte Vianello.
Graziano und sein Partner setzten ihre Masken wieder auf, steckten sich die Schläuche in den Mund, reckten nach Entenart die Hinterteile in die Höhe und verschwanden. Der Bootsführer ging in seine Kabine hinunter, klappte eine der Sitzbänke hoch und holte darunter irgendein kompliziert aussehendes Geschirr hervor, an dessen Ende eine doppelte Schlaufe aus Segeltuch hing. Er kam wieder nach oben und stellte sich neben Vianello. Dann hob er das Geschirr über die Reling und ließ es ins Wasser hinunter.
Eine Minute später tauchten Graziano und sein Partner wieder auf, zwischen sich den kraftlosen Körper eines Dritten. Mit so routinierten Bewegungen, daß Vianello beim Zusehen ganz unbehaglich wurde, steckten sie die Arme des Toten durch die Schlinge, die Bonsuan ihnen hinuntergelassen hatte; dann tauchte einer kurz unter, um ein Seil zwischen den Beinen des Mannes durchzuziehen, und klinkte es in einen Haken vorn an der Schlaufe ein.
Er gab Bonsuan ein Zeichen, und die beiden Polizisten hievten den Toten hoch, überrascht, wie schwer er war. Vianello fragte sich dabei unwillkürlich, ob daher wohl der Ausdruck »totes Gewicht« stamme, und verdrängte diesen Gedanken beschämt gleich wieder. Sowie die Leiche aus dem Wasser war, mußten die beiden Männer an Deck sich weit hinauslehnen, damit sie nicht gegen den Bootsrumpf schlug. Ganz verhindern konnten sie es nicht, aber schließlich vermochten sie den Toten über die Reling zu wuchten und aufs Deck zu legen. Seine blinden Augen starrten in den Himmel.
Bevor sie sich den Toten näher ansehen konnten, hörten sie unten ein Platschen und beeilten sich, die Schlaufe loszumachen und wieder ins Wasser zu lassen.
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