Brunetti 17 - Das Mädchen seiner Träume
Venedig und gebeten um Geld. Mann sehr großzügig. Er geben viel Geld. Für kaufen Auto«, schloss Tanovic. Dann hob er die Hand, winkte und sagte: »Bye, bye.«
»Wer war der Mann?«, fragte Brunetti. »Mann, den ihm sein Sohn zeigen.«
»Und der hat ihm das Geld für das neue Auto gegeben?«
Ein Nicken. Ein Lächeln. »Und mehr.« »Wissen Sie, wie viel mehr?«
»Er nix sagen. Vielleicht er Angst, mir zu sagen, weil ich Zigeuner, und Zigeuner stehlen, hm?« Tanovics Lächeln verwandelte sich in ein hämisches Grinsen.
Brunetti wandte sich so brüsk ab, dass er mit Vianello zusammenprallte, der hastig zurückwich. »Komm, wir gehen«, sagte Brunetti und stiefelte auf ihren Wagen zu.
Der Mann wartete, bis sie das Fahrzeug erreicht hatten, bevor er ihnen nachrief: »Signor Polizist, Rocich hat mir was für Sie gegeben.« Der Satz ging Tanovic in flüssigem Italienisch über die Lippen, so als sei er es leid, die Rolle des radebrechenden Zigeuners zu spielen.
Brunetti, eine Hand schon auf dem Türgriff, drehte sich nach dem Mann um. Tanovic schob die Hand in die Jackentasche, zog sie wieder heraus und hielt sie, zur Faust geballt, Brunetti hin.
»Ich Zigeuner, aber das ich nicht stehlen«, sagte er und schwenkte die geschlossene Faust hin und her. Er und Brunetti musterten einander auf drei Meter Entfernung. Tanovic reckte seine Faust höher. »Sie wollen haben?«, fragte er.
Brunetti, dessen Knie plötzlich steif wurden, gab sich einen Ruck und ging auf den Mann zu. Er blieb dicht vor ihm stehen, streckte starr den Arm vor und hielt die Hand auf. Für einen Moment fürchtete er, Tanovic könnte verlangen, dass er »bitte« sage, was er nicht über sich bringen würde.
Doch der Mann hob seine Faust über Brunettis aufgehaltene Hand, öffnete langsam einen Finger nach dem anderen, und plötzlich spürte Brunetti, wie etwas in seine Handfläche fiel. Bevor er feststellen konnte, was es war, sagte Tanovic: »Mann mit viele Geld das wollen haben. Beweis, dass Dusan dort gewesen und alles sehen. Aber Rocich, er sagen, das sein für Sie, Signor Polizist.« Damit ließ er seine Hand sinken, machte kehrt und ging zurück zu seinem Wohnwagen. Erst als er die Stufen hinaufstieg, hob Brunetti seine Hand, um zu sehen, was der Mann ihm in Rocichs Auftrag übergeben hatte.
Es war der zweite Manschettenknopf: ein kleiner, in Silber gefasster Lapislazuli.
Ein Knall ließ Brunetti zusammenzucken, aber es war nur die Wohnwagentür, die der Zigeuner zugeschlagen hatte.
31
D ie Lethargie, in die Brunetti nach seiner Rückkehr aus dem Roma-Lager verfiel, dauerte drei Tage an, bevor Paola sich erkundigte, was mit ihm los sei. Sie saßen nach dem Abendessen, das Brunetti kaum angerührt hatte, auf der Terrasse, und er hatte schon seinen zweiten Grappa zur Hälfte geleert. Die Flasche stand griffbereit neben ihm, für den Fall, dass er noch einen dritten brauchte.
Während es langsam dunkel wurde und die Abendkühle sich einnistete, begann er zu erzählen, ohne sich um die zeitliche oder sonst eine Reihenfolge zu scheren. Wenn seine Geschichte sich an irgendetwas orientierte, dann am ehesten an der Intensität seiner Eindrücke. Was sich ihm am stärksten eingeprägt hatte, sparte er bis zuletzt auf: die herzzerreißende Wehklage der Mutter und der hasserfüllte Ausdruck im Gesicht des Jungen, als er ihm vom Tigermann erzählt hatte.
So sehr hatte ihn nicht einmal das letzte Gespräch mit Fornari und seiner Frau bewegt. »Sie wollten mich erst gar nicht reinlassen«, erzählte er. »Aber ich habe gesagt, dann käme ich mit einem Gerichtsbeschluss wieder.«
Inzwischen war es so dunkel, dass er weder ihr Gesicht noch eine Kopfbewegung hätte erkennen können, aber als ihre Hand sich fester um seinen Arm schloss, sagte er: »Das war natürlich Unsinn. Kein Mensch hätte mir einen Durchsuchungsbefehl ausgestellt. Offiziell ist der Fall für Polizei und Justiz abgeschlossen: Das Mädchen ist nach einem Einbruch in die Wohnung der Fornaris verunglückt und ertrunken, und damit basta.«
»Aber dann haben sie dich doch reingelassen?«, fragte Paola.
»Ja. Du weißt, wie gut ich lügen kann«, sagte Brunetti. »Nicht besonders gut«, versetzte sie, was er als Kompliment auffasste. »Und wie ging es weiter?«
»Sie waren beide sehr nervös. Zuerst dachte ich, sie würden es nicht durchstehen.« Und das war seinerseits als Kompliment gemeint.
»Was hast du denn gesagt?«
»Dass ich mit einem der Zigeuner im Roma-Lager gesprochen
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