Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brunetti 17 - Das Mädchen seiner Träume

Brunetti 17 - Das Mädchen seiner Träume

Titel: Brunetti 17 - Das Mädchen seiner Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
Vom Netzwerk:
ließen.
    »Sie haben sich da wieder mal in was verrannt, Brunetti«, befand Patta einige Stunden später. Genau wie Brunetti es vorausgesehen hatte. Er hatte keine Zeit darauf verschwendet, den Wortlaut seines Vorgesetzten vorherzusagen, aber den Inhalt seiner Rede hatte er exakt getroffen. »Die Familie hatte doch offensichtlich keine Ahnung, was passiert war«, erklärte Patta. »Die Signora und ihr Sohn werden beim Heimkommen bemerkt haben, dass die Terrassentür offen stand. Eine Unachtsamkeit, aber so was passiert einfach. Unglücklicherweise ist dieses Zigeunermädchen in Abwesenheit der Familie in die Wohnung eingedrungen.«
    Patta, der während dieses Vortrags in seinem Büro auf und ab gegangen war, blieb plötzlich abrupt stehen und fragte wie der clevere Staatsanwalt aus einem amerikanischen Gerichtsdrama: »Sagten Sie nicht, das Mädchen trug Plastiksandalen?«
    »Ja.«
    »Na bitte, da haben Sie's!« Patta spreizte triumphierend die Hände, als habe er eben das letzte noch fehlende Beweisstück entdeckt, das jede weitere Diskussion überflüssig machte. »Was habe ich?«, wagte Brunetti sich vor.
    Patta, dessen Miene deutlich machte, dass er zu weit gegangen war, erteilte ihm eine Lektion in logischem Denken: »Plastik! Auf einem schrägen Ziegeldach. Aus Terrakotta.« Nach einer Kunstpause fragte er: »Ich muss Ihnen doch wohl keine Zeichnung anfertigen, oder, Commissario?« Wenn sein Vorgesetzter Brunetti mit seinem Dienstgrad anredete, war nicht selten Gefahr im Verzug.
    »Nein, Vice-Questore. Ich habe verstanden.« »Also fassen wir zusammen: Diese Signora Vivarini und ihr Sohn kamen nach Hause, wo die Terrassentür offen stand, aber sie dachte sich nichts dabei.« Patta hielt inne, und als er Brunetti lächelnd ansah, hatte der beinharte Staatsanwalt sich in einen charmanten Verteidiger verwandelt. »Es bestand ja auch kein Grund zur Besorgnis, oder, Commissario?« »Nein, Dottore.«
    »Ihrem Eindruck nach war Signora Vivarini überrascht, als sie von dem Diebstahl erfuhr, nicht wahr?« »Ja, Dottore.« »Na bitte! Was soll dann dieses ganze Theater?« »Ich habe Ihnen doch von der Tochter erzählt und wie furchtbar sie gehustet hat, als ich Vianellos Dienstgrad erwähnte.« Brunetti merkte selbst, wie kläglich und dürftig sich das anhörte. »Vorher war alles ganz normal verlaufen:
    Sie kam herein, gab mir die Hand und stellte sich als Ludovica Fornari vor. Aber als ich sagte ...« »Was?«, unterbrach Patta ihn scharf. »Verzeihung?«
    »Wie sagten Sie, war der Name der Tochter?«
    »Ludovica Fornari. Wieso?«, fragte Brunetti und schob eilfertig ein »Signore« hinterher.
    »Sie haben aber immer nur von Signora Vivarini gesprochen«, sagte Patta.
    »Der Name des Ehemanns steht im Bericht, Vice-Questore.«
    Patta wischte diesen Hinweis mit einer so brüsken Handbewegung beiseite, als sei er längst über das Stadium hinaus, wo man sich mit schriftlichen Berichten herumplagen musste. »Warum haben Sie mir das nicht gleich gesagt?«, erkundigte er sich streng.
    »Es schien mir nicht so wichtig, Dottore.«
    »Und ob das wichtig ist!« Patta klang, als spräche er mit einem besonders begriffsstutzigen Schüler. »Darf ich erfahren, warum, Dottore?«
    »Sie sind doch Venezianer, nicht wahr?«, entgegnete Patta spöttisch.
    Brunetti war so verblüfft, dass er nur ein mattes »Ja« herausbrachte.
    »Und trotzdem wissen Sie nicht, wer sie ist?«
    Brunetti wusste, wer ihre Eltern waren, aber Pattas sarkastischer Ton sagte ihm, dass er gar nichts wusste. »Nein, Signore, bedaure.«
    »Sie ist die jidanzata vom Sohn des Innenministers. Tja, da staunen Sie, was?«
    Wäre dies tatsächlich ein zweitklassiges Gerichtsdrama und Brunetti der Ankläger, dessen einzige Funktion in dieser Szene darin bestand, sich durch einen brillanten Überraschungscoup der Verteidigung außer Gefecht setzen zu lassen, dann wäre dies jetzt sein Stichwort, um sich mit der flachen Hand vor die Stirn zu schlagen und auszurufen: »Ich hätte es wissen müssen!«, oder: »Ich hatte ja keine Ahnung.«
    Stattdessen blieb Brunetti stumm. Vorgeblich, damit Patta mit näheren Einzelheiten glänzen konnte, in Wahrheit aber, weil er Zeit brauchte, um das Bild neu zusammenzusetzen.
    »Ich muss mich wirklich über Sie wundern, Brunetti«, begann Patta aufs Neue. »Mein Sohn kennt beide Kinder und Fornaris Sohn sind im selben Ruderclub -, aber ich ahnte ja nicht, von wem Sie die ganze Zeit gesprochen haben. Fornaris Tochter.

Weitere Kostenlose Bücher