Brunetti 18 - Schöner Schein
unter chinesischen Geschäftsleuten nicht besonders gefragt.« Er überdachte seine Bemerkung und fügte mit einem theatralischen Seufzer hinzu: »Vielleicht, weil er so wenig über Erdbaumaschinen zu sagen hatte.«
»Haben chinesische Geschäftsleute mehr zu sagen?«
Der Conte lachte. »Du kannst das Verhören wirklich nicht lassen, stimmt's, Guido?« Bevor Brunetti protestieren konnte, sprach der Conte weiter: »Ja, die wenigen, die ich kenne, sind sehr daran interessiert, vor allem an Bulldozern. Genau wie Cataldo und genau wie sein Sohn - der Sohn aus seiner ersten Ehe -, der ihre Baumaschinenfirma leitet. Die Bauwirtschaft in China boomt wie verrückt, und die Firma bekommt mehr Aufträge, als sie abwickeln kann; und deshalb hat er mich gefragt, ob ich als Teilhaber mit beschränkter Haftung bei ihm einsteigen möchte.«
Brunetti hatte im Lauf der Jahre gelernt, auf alles, was sein Schwiegervater über seine Geschäfte verlauten ließ, mit Vorsicht zu reagieren, und so ließ er auch jetzt nur ein aufmerksames »Aha« vernehmen.
»Aber das kann dich unmöglich interessieren«, sagte der Conte, und damit hatte er ziemlich recht. »Also, was hältst du von ihr?«
»Darf ich fragen, warum du das wissen willst?«
»Weil ich vor einigen Monaten einmal beim Essen neben ihr gesessen habe und es mir wie dir gegangen ist, nachdem ich sie hier schon seit Jahren gesehen, aber nie wirklich mit ihr gesprochen hatte. Wir unterhielten uns zunächst über einen aktuellen Zeitungsartikel, und plötzlich erörterten wir die Metamorphosen. Wie wir darauf gekommen sind, weiß ich nicht mehr, aber es war wunderbar. Und in all den Jahren hatten wir kein Wort gewechselt, jedenfalls nichts von Belang. Deshalb schlug ich Donatella vor, dich und sie einander gegenüberzusetzen, damit ich mit ihrem Mann reden konnte.« Mit erstaunlicher Selbsterkenntnis fügte der Conte hinzu: »Du warst so viele Jahre gezwungen, mit unseren langweiligen Freunden zusammenzusitzen, und ich dachte mir, du hast mal eine Abwechslung verdient.«
»Vielen Dank«, sagte Brunetti und unterließ es, auf die Bemerkung des Conte über seine Freunde näher einzugehen. »Es war tatsächlich sehr interessant. Sie hat sogar die Anklage gegen Verres gelesen.«
»Oh, das freut mich für sie«, flötete der Conte.
»Kanntest du sie schon vorher?«, fragte Brunetti.
»Vor der Ehe oder vor dem Lifting?«, fragte der Conte sachlich.
»Vor der Ehe.«
»Ja und nein. Sie war mehr Donatellas Freundin als meine. Ein Verwandter hatte Donatella gebeten, ein Auge auf Franca zu haben, als sie zum Studium hierherkam. Byzantinische Geschichte, du liebe Zeit. Aber nach zwei Jahren musste sie fort. Schwierigkeiten in der Familie. Ihr Vater starb, und sie musste nach Hause zurück und sich einen Job suchen, weil ihre Mutter keinen Beruf erlernt hatte.« Und dann fügte er noch unverbindlich hinzu: »Ich erinnere mich nicht an alle Einzelheiten. Donatella wahrscheinlich schon.«
Der Conte räusperte sich und sagte selbstkritisch: »Klingt wie der Plot einer schlechten Fernsehserie. Willst du das wirklich hören?«
»Da ich niemals fernsehe«, heuchelte Brunetti, »bin ich neugierig.«
»Also schön«, fuhr der Conte fort. »Was ich gehört habe - ich weiß nicht mehr, ob von Donatella oder von irgendwelchen anderen Leuten -, ist Folgendes: Sie hat Cataldo bei einer Modenschau kennengelernt - sie hat Pelze vorgeführt, glaube ich -, und wie meine Enkelin zu sagen pflegt: Immer die gleiche Geschichte.«
»War Scheidung auch ein Teil der Geschichte?«, fragte Brunetti.
»Ja, allerdings«, antwortete der Conte bekümmert. »Ich kenne Maurizio seit langem, und er ist kein geduldiger Mensch. Er hat seiner Frau ein Arrangement vorgeschlagen, und sie hat akzeptiert.«
Brunetti hatte jahrzehntelange Erfahrung im Umgang mit zurückhaltenden Zeugen, und sein Instinkt sagte ihm, dass hier etwas verschwiegen wurde. Also fragte er: »Was noch?«
Der Conte zögerte lange, bevor er antwortete: »Er war Gast an meinem Tisch, deshalb sage ich das nur ungern, aber Maurizio soll ein rachsüchtiger Mensch sein, und das könnte seine Frau veranlasst haben, die von ihm angebotenen Bedingungen anzunehmen.«
»Die Geschichte kommt mir bekannt vor.«
»Welche?«, fragte der Conte scharf.
»Die Geschichte, die du gehört hast, Orazio: Ein alter Mann lernt ein hübsches junges Ding kennen, verlässt seine Frau, heiratet die Neue in fretta e furia, und dann leben die beiden vielleicht nicht
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