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Brunftzeit

Brunftzeit

Titel: Brunftzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Humfrey Hunter
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bisher keines dieser weiblichen Exemplare für mich interessiert hatte.
    Zurück zu meiner Geschichte.
    Das Handy der Eisenbahnlady klingelte und sie vertiefte sich in eine Unterhaltung über die Geschehnisse des Vorabends. Ich hatte zwar ein Buch dabei, aber wie jeder Pendler im Abteil fand ich ihre Geschichte weitaus interessanter als die des Buches. Ich gab also vor zu lesen, belauschte stattdessen aber ihr Gespräch.
    Sie hatte sich offensichtlich köstlich amüsiert. Der Typ, mit dem sie sich getroffen hatte, war für jeden hörbar einmalig: humorvoll, intelligent und reich. Und sie wollte ihn unbedingtwiedersehen. So weit, so gut. Keine schlechte Unterhaltung so früh am Tag.
    Dann verstummte sie und lauschte den Worten ihres Gesprächspartners.
    Ihre nächsten Worte lauteten wie folgt: »Klar, weiß ich, dass er eine Freundin hat. Aber ich bin jetzt neunundzwanzig und Single. Alle anderen sind längst vergeben. Wenn ich also einen Typ kennenlerne, der mir gefällt, versuche ich, ihn mir wenn irgend möglich zu schnappen. Und dieser Typ gefällt mir.«
    Kein Zögern, nicht einmal der Hauch eines schlechten Gewissens begleitete ihre Worte. Im Gegenteil: Ihre Stimme klang stahlhart. Um uns herum gewannen eine Menge Augenbrauen an Höhe.
    Ich war ehrlich verblüfft. Ich weiß natürlich, wie naiv das klingt, aber ich hatte wirklich keine Ahnung, dass unter den weiblichen Protagonisten in der Welt des Datings eine derartige Auge-um-Auge-Mentalität herrscht.
    Ich bin sicher kein Engel, aber ich glaube nicht, dass ich mich je einfach so in die Beziehung eines anderen Mannes gedrängt hätte. Andererseits war ich dreißig und seit Kurzem allein; ich glaubte felsenfest daran, dass irgendwo dort draußen die passende Frau für mich war und dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis sie meinen Weg kreuzte.
    Und genau aus diesem Grund sah ich für eine attraktive neunundzwanzigjährige Frau wie die im Zug keinen Grund zur Panik, ihre Uhr würde noch lange ticken. Die junge Dame jedoch schien das ganz anders wahrzunehmen.
Was geht in seinem Kopf vor?
    Es besteht nicht der geringste Zweifel daran, dass der Mann, von dem die Eisenbahnlady sprach, sie zu diesem Flirt ermutigt hat. Sonst wäre es sicher nie so weit gekommen.
    Was hatte er vor? Worauf wollte er hinaus?
    Meiner Meinung nach gibt es vier mögliche Antworten. Die erste und harmloseste lautet, dass er einfach nur ein wenig flirten und sich seine Attraktivität beweisen wollte. Manche Männer brauchen das. Weshalb es nicht zwangsläufig richtig ist, aber es kommt vor. Für ihn ist es weitgehend ungefährlich, für sie allerdings birgt es ein gewisses Risiko, schließlich ist sie diejenige, die verletzt wird, sobald sie feststellt, dass der Flirt ihm nichts bedeutet (will heißen, dass er seine Freundin ihretwegen sicher nicht verlässt).
    Zweitens könnte er die Eisenbahnlady angemacht haben, um mit ihr fremdzugehen. Auch diese Variante würde für die junge Dame ziemlich sicher mit Herzschmerz enden.
    Drittens sah er in ihr vielleicht den Ersatz für seine derzeitige Freundin, die er sowieso schon lange verlassen wollte. Was ihn zum Beziehungs-Affen macht (das sind Leute, die ihren Partner erst verlassen, wenn der nächste schon bereitsteht – wie Affen, die auf dem Weg von einem Baum zum anderen einen Ast erst dann loslassen, wenn sie wissen, um welchen sich ihre Finger als nächstes schließen werden). Das ist nicht sonderlich romantisch und keine besonders gute Basis für eine Beziehung, denn vermutlich wird er die Eisenbahnlady verlassen, sobald er Aussicht auf eine neue, verführerische Freundin (respektive einen Ast) hat.
    Und schließlich könnte es auch sein, dass er tatsächlich Gefühle für die Eisenbahnlady hegte. Gefühle, die ihn überraschten, weil er zum Zeitpunkt ihres Kennenlernens eigentlich sehr glücklich mit seiner Freundin war. In diesem Fall ist es sogar möglich – nicht sonderlich wahrscheinlich, aber immerhin möglich –, dass er und die Eisenbahnlady miteinander glücklich werden.
    Natürlich habe ich keine Ahnung, was der Mann tatsächlich im Schilde führte. Aber ich wusste, dass die letzte der vier Möglichkeiten nicht nur der Eisenbahnlady am liebsten, sondern vor allem am unwahrscheinlichsten war. Und dass ausgerechnet sie zu ewigem Glück führen würde, war noch viel unwahrscheinlicher.
    Und woher wusste die Eisenbahnlady, was in seinem Kopf vorging? Sie konnte es gar nicht wissen. Was also hätte sie tun sollen? Ganz einfach:

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