Brunftzeit
nicht daran, dass ich mich wie ein typischer, gehemmter Engländer verhalten will, der leicht in Verlegenheit gerät, wenn er über die Einzelheiten sexueller Aktivitäten sprechen soll (so bin ich zwar tatsächlich, aber das tut hier nichts zur Sache).
Nein, der Grund, warum ich auch weiterhin keine Details aufs Tapet bringen werde, wenn es um Sex geht, liegt auf der Hand: Für Männer geht es beim Sex nicht um Details.
Worum geht es Männern beim Sex?
Wenn ein Mann solo ist, dient Sex der Befriedigung seiner Grundbedürfnisse, er fühlt sich zudem weniger einsam und außerdem weniger unsicher hinsichtlich der Frage, ob Frauen ihn überhaupt attraktiv finden. (Dies ist übrigens auch derAnlass dafür, dass Single-Männer nach dem Genuss von Alkohol oft so sexbesessen sind: Trieb und Ungewissheit werden verstärkt und verwandeln sich in ungezügelte Geilheit.)
Ist ein Mann aber liiert, geht es ihm beim Sex um die Liebe zwischen ihm und seiner Partnerin – die Vereinigung ist eine Bestätigung und ein Freudenfest des Glücks, der Erfüllung und der Liebe zweier Menschen.
Ich bin zwar keine Frau und kann mich irren, aber ich hege den Verdacht, dass sich die weibliche Ansicht über Sex nicht allzu sehr von der männlichen unterscheidet. Inklusive der alkoholtriefenden Geilheit.
Das allerdings bedeutet nicht, dass Männer und Frauen sich in jeder Hinsicht gleichen.
Eine Szene aus Friends
Wie war das noch damals, als Ross und Rachel sich zum ersten Mal küssten? Lassen Sie mich Ihrem Gedächtnis auf die Sprünge helfen: Kurz nach der Rückkehr von einem leidenschaftlichen Abend bei einer Neanderthaler-Ausstellung in Ross’ Museum (ziemlich abgefahren), sitzt Ross mit Joey und Chandler zusammen, während Rachel in der gegenüberliegenden Wohnung mit Phoebe und Monica schwatzt.
Sowohl Ross als auch Rachel werden gefragt, was passiert ist. Rachels Antwort sieht der Zuschauer zuerst. »Er nahm mein Gesicht in seine Hände«, erzählt sie atemlos und mit geschlossenen Augen, während sie ihre Hände an die zuvor von Ross berührten Stellen legt. »Und plötzlich waren seine Hände in meinem Haar … dann um meine Taille …« und so weiter. Während Rachel spricht, wird sie von ihren Gefühlen überwältigt, ihre Beine versagen ihr fast den Dienst, während Phoebe und Monica stumm lauschen und völlig in der Geschichte aufgehen. Die einzigen Laute, die sie von sich geben, sind kleine, atemlose Japser und ein gelegentliches leises Quietschen.
Cut. Die Kamera schwenkt zu den Männern.
»Hast du sie geküsst?«, fragt einer der Freunde, ohne dass auch nur einer von ihnen den Blick vom Bildschirm wendet.
»Ja«, antwortet Ross.
»Mit Zunge?«, fragt der andere.
»Ja«, bestätigt Ross.
»Cool«, lautet die Reaktion, ehe alle drei ihre gesamte Aufmerksamkeit wieder dem Fernseher zuwenden. Das war’s – das Gespräch ist beendet.
Die Serie Friends war ausgesprochen beliebt. Sie war komisch, zeigte liebenswerte Protagonisten – junge Erwachsene, die sich ver- und wieder entliebten, während sie ihr Leben lebten –, die Story war leicht verdaulich und vor allem vollkommen realitätsnah, und zwar sowohl für Zuschauer in just dem beschriebenen Lebensabschnitt, als auch für jene, die diesen bereits hinter sich hatten und erst recht für Jugendliche, die sehnsüchtig darauf warteten, erwachsen genug zu sein, um mit einem Huhn und einer Ente in einer Wohnung zu leben, mit zwei bildschönen Frauen als Nachbarn. (So ging es mir, und es passierte nie – wieder einer dieser geplatzten Träume.)
Doch nirgendwo in der gesamten Serie (ich habe nachgeschaut, es waren von 1994 bis 2004 insgesamt 236 Folgen in zehn Staffeln) gab es einen Augenblick, der näher am wirklichen Leben war als der hier eben beschriebene. Dieses Gespräch zwischen Ross, Chandler und Joey könnte so überall unter Männern stattfinden – nicht nur unter fiktiven Amerikanern in Luxuswohnungen, die sie sich im wahren Leben nie und nimmer leisten könnten.
Wenn wir über Frauen sprechen, die uns etwas bedeuten – so wie Rachel Ross etwas bedeutete –, gehen wir Männer nicht gern ins Detail. Ganz einfach deswegen, weil die Einzelheiten uns heilig sind und nur uns und die Lady etwas angehen (die Frau ist in diesem Fall wirklich eine Lady). Das ist unterMännern ungeschriebenes Gesetz. Joey und Chandler wussten das, und Ross wusste, dass sie es wussten. Daher war ihre Unterhaltung kurz, aber effizient. Eben männlich. Sie beinhaltete sämtliche
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