Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Buch des Todes

Buch des Todes

Titel: Buch des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Brekke
Vom Netzwerk:
einmal durch. Dann überprüfte er auf der Anzeigetafel, ob die Alarmanlage nach der Schließung der Bibliothek an den entsprechenden Stellen aktiviert war. Er fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, um seine Frisur zu richten. Obwohl er sich den vierzig näherte, waren seine Haare noch immer dick und voll. Lockig. Struppig, würden manche wohl eher sagen.
    Er traf nicht die Person, die er zu treffen erwartet oder erhofft hatte. Gunn Brita Dahle war aus irgendeinem Grund noch bei der Arbeit und sah etwas verwirrt aus. In der Hand hielt sie eine Flasche Wein der etwas edleren Sorte, eins der Abschiedsgeschenke, das sie tags zuvor bekommen hatte.
    »Hallo, Jon«, sagte sie, als er den Raum betrat. »Ich packe gerade die letzten Sachen ein.« Sie sah sich um und seufzte mit einem melancholischen Lächeln, das ein bisschen affektiert wirkte. »Der Abschied fällt mir schwerer, als ich gedacht habe. Ich sitze hier jetzt schon seit Stunden und blättere alte Unterlagen durch, leere meine Schubladen und sehe mir alte Bilder an. Man kann schon von weniger sentimental werden.«
    »Du wirst uns auch fehlen«, sagte Jon Vatten aufrichtig. Er hatte nichts gegen sie. Ihr lautstarker Feminismus hatte ihn nie gestört. Sie war ehrlich. Und sie waren etwa im gleichen Alter.
    »Wollen wir die nicht noch leeren, bevor ich gehe?«, fragte sie. »Jens ist mit den Kindern auf der Hütte, und ich sehe nicht ein, warum ich mich an einem Samstagabend allein zu Hause betrinken soll.«
    »Der hält bestimmt noch eine Weile«, sagte Vatten trocken.
    »Das stimmt. Du trinkst nicht, oder?«
    »Nur ganz selten.«
    »Dann bist du kein Antialkoholiker?«
    »Ich bin weder gläubig noch trockener Alkoholiker, falls du das meinst.« Sie lachte. Er dachte, dass sie selten so wie jetzt zusammengestanden und miteinander geredet hatten, und dass ihr Lachen eigentlich sehr sympathisch war.Vielleicht war es dieses Lachen, das ihn dazu verleitete, sich ein wenig zu öffnen.
    »Aber ich habe ein kleines Problem mit Alkohol.«
    »Ach ja?«
    »Ich bin, was man hypersensitiv nennt. Ein Glas reicht schon, und ich bin sturzbetrunken.«
    »Echt?«
    »Ja, ich hab das wirklich nicht erfunden. Ich habe übrigens gerade erst gelesen, dass Edgar Allan Poe das gleiche Problem gehabt haben soll«, sagte er, zufrieden, dass er ganz beiläufig Nutzen aus dem ziehen konnte, was er in der letzten Zeit über Poe gelesen hatte.
    »Aha, dann hat der Meister des Makabren doch nicht so viel getrunken, wie es immer heißt, sondern wurde nur schnell betrunken?«, fragte sie.
    Vatten sah sie neugierig an.
    »Kennst du Poe gut?«, fragte er.
    »Ich war sogar schon mal im Edgar-Allan-Poe-Museum in Richmond«, sagte sie. »Dieses Frühjahr.«
    Vatten war verblüfft. Er konnte sich vage daran erinnern, dass Gunn Brita Dahle im Frühling Urlaub genommen hatte, um in die USA zu reisen, hatte aber keine Ahnung davon gehabt, dass sie nach Virginia gereist war und sogar das Edgar Allan-Poe-Museum besucht hatte.
    Ihm wurde plötzlich bewusst, wie wenig sie über private Dinge gesprochen hatten. Und was für ein Zufall, auch er war im Sommer in den USA gewesen. Seine ersten Ferien, nachdem das passiert war, trotzdem war er damals nicht einmal auf die Idee gekommen, sie nach einem Reise-Tipp zu fragen.
    »Dann weißt du wahrscheinlich genauso viel über Poe wie ich. Die Hauptquelle, die Poe immer wieder als Alkoholiker dargestellt hat, war ohne Zweifel einer seiner ärgsten Freunde, ein gewisser Rufus Griswold.«
    »Rufus Griswold?«
    »Ja, ich weiß. Hört sich nach einem fiktiven Namen an, einem Pseudonym oder so.Aber Rufus Griswold war eine reale Person, jemand, der gar nicht gut für Poes Ruf war. Er arbeitete Mitte des 19. Jahrhunderts während der ersten Blütezeit der amerikanischen Literatur, in der ständig irgendwelche Pamphlete, Zeitungen und Magazine herausgegeben wurden und wieder von der Bildfläche verschwanden, als Redakteur und Literaturagent.Als armer Schriftsteller musste man damals häufig von einer Redaktion zur nächsten tingeln. Es war die hohe Zeit der literarischen Konkurrenz, des Feuilletons und der Flugblätter, so etwas wie die Papierausgabe der heutigen Blogsphäre.« Vatten blieb stehen und dachte über seine letzte Äußerung nach. Sie war schon etwas gesucht. Dann fuhr er fort:
    »Griswold hat Poe 1843 als Redakteur des Graham’s Magazine in Philadelphia abgelöst. Es ist nicht sicher, warum, aber Griswold konnte seinen Vorgänger nicht ausstehen, vermutlich,

Weitere Kostenlose Bücher