Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Buch des Todes

Buch des Todes

Titel: Buch des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Brekke
Vom Netzwerk:
weil Poe ein viel interessanterer Redakteur gewesen war, als Griswold es jemals werden konnte. Griswold ist bekannt geworden, weil er Poes bekanntestes Gedicht, ›The Raven‹, abgelehnt hat, das dann wenig später im Evening Mirror erschien.«
    Vattens Wangen wurden warm. Er hatte mit großem Interesse über Poe gelesen, aber erst jetzt, da er die Gelegenheit erhielt, über ihn zu reden, spürte er, wie nah ihm der Stoff war, als wäre er irgendwie persönlich involviert.
    »Am berüchtigtsten ist Griswold aber wohl für seine Rolle als Poes Agent nach dessen Tod. Er war der Erste, der eine gesammelte Ausgabe von Poes Werken drucken ließ, doch das Ganze gipfelte darin, dass er einen vernichtenden Nachruf verfasste, der als Vorwort der Ausgabe abgedruckt wurde. Er stellt den etwas instabilen Autor darin als verrückten, alkohol- und drogensüchtigen Misanthropen dar. Der perfekte Rufmord.«
    »Dieser Mister Griswold scheint kein angenehmer Zeitgenosse gewesen zu sein.«
    »Nein, wahrlich nicht. Das Traurige ist nur, dass Poes kurze, brutale Biografie, die, wie sich später herausstellte, teils auf gefälschten Briefen basierte, viel zu lange als das offizielle Porträt von Poe galt. Erst im 20. Jahrhundert bekam man ein etwas ausgewogeneres Bild von diesem Autor. Trotzdem hängen Poe noch heute etliche von Griswolds Charakterisierungen und Behauptungen an. Eben auch jene, Poe sei ein unheilbarer Alkoholiker gewesen.«
    »Und das war er nicht?« Während Vatten redete, nahm sie einen kleinen Korkenzieher aus ihrer Tasche und öffnete die Weinflasche. Dann verschwand sie schnell in ihrem Büro, während er mit lauterer Stimme weiterdozierte, damit sie ihn hören konnte.
    »Ich will keine Behauptungen aufstellen. Ausgeschlossen kann es noch immer nicht werden, aber die Forscher sind sich nicht mehr so sicher. Poes Zechkumpan zu dieser Zeit, Thomas Maine Reid, räumt ein, dass es mitunter recht feucht hergehen konnte, sagt an anderer Stelle aber ganz konkret, dass Poe nicht alkoholabhängig war und nur selten wirklich große Mengen trank. Heute glauben viele, dass Poe nur in besonders schwierigen Phasen getrunken hat, außerdem gibt es Quellen dafür, dass Poe über Monate hinweg nüchtern war. In einer der Diskussionen zu diesem Thema bin ich auf den Kommentar eines Wissenschaftlers gestoßen, der meinte, dass Poe möglicherweise hypersensitiv auf Alkohol reagierte.«
    »Das habt ihr dann also gemeinsam?« Sie kam mit zwei Tassen aus ihrem Büro zurück.Auf der einen stand »Weltbeste Mama« und auf der anderen »Wasserskiclub Fosen«.
    »Wann hast du gemerkt, dass du so empfindlich auf Alkohol reagierst?«, fragte Gunn Brita.
    »Mit der Zeit. Ernsthafte Probleme habe ich erst zu Beginn meines Studiums bekommen. Ich konnte freitagabends nicht mal ein Bier trinken, ohne anschließend zu lallen.«
    »Und wann hast du zuletzt was getrunken?«
    »Das ist viele Jahre her. Das muss vor …« Vatten hielt abrupt inne, ihr Blick ließ aber erkennen, dass sie ihn verstanden hatte.
    »Und woher willst du wissen, dass du noch immer nichts verträgst?«, fragte sie.
    »Wissen tue ich es eigentlich nicht«, antwortete er und blickte skeptisch auf die beiden Tassen. »Dafür müsste ich es ausprobieren.«
    »Dann lass uns das jetzt tun, da kann dir nichts passieren.Wenn du nach einer Tasse wirklich sturzbetrunken sein solltest, verspreche ich, dich nach Hause zu begleiten und ins Bett zu bringen. Du hast ja morgen ohnehin frei.«
    »Tja.Warum nicht?«, sagte Vatten, nahm die Tasse mit der weltbesten Mama und hielt sie ihr hin, ohne die geringste Illusion, dass das eine kluge Entscheidung war.

5
    Richmond, August 2010
    D ie Putzfrau des Edgar-Allan-Poe-Museums hatte vier verschiedene Jobs. Ohne je eine Ausbildung gemacht zu haben, rackerte sie sich ab, um sich mit ihren vier Hungerlöhnen wenigstens ein einigermaßen anständiges Einkommen zu sichern. In dieser Nacht kam sie gegen drei Uhr ins Museum. Sie öffnete in gewohnter Weise die Tür des Steinhauses und wunderte sich, dass in vielen Vitrinen noch Licht brannte. Sonst waren die Lampen nachts gelöscht, aber vielleicht hatte es ja was damit zu tun, dass der Kurator in den letzten Wochen so auffällig zerstreut gewesen war. Zwischendurch hatte er richtiggehend abwesend gewirkt, wenn er morgens kam, als wälzte er in Gedanken ein alles andere absorbierendes Geheimnis. Gesprochen hatten sie nie miteinander, da sie es immer eilig hatte, zu ihrem nächsten Job zu kommen. Aber ein

Weitere Kostenlose Bücher