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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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sie allein waren … »Wie spricht er eigentlich? Er geht so merkwürdig ins Detail, dünkt mich … oder wie soll ich sagen! Er sieht die Dinge von einer so fremdartigen Seite an, wie? …«
    »Ja«, sagte Tom, »ich verstehe recht wohl, was du meinst, Tony. Christian ist herzlich indiskret … es ist schwer, es auszudrücken. Ihm fehlt etwas, was man das Gleichgewicht, das persönliche Gleichgewicht nennen kann. Einerseits ist er nicht imstande, taktlosen Naivetäten anderer Leute gegenüber die Fassung zu bewahren … Er ist dem nicht gewachsen, er versteht nicht, es zu vertuschen, er verliert ganz und gar die Contenance … Aber andererseits kann er auch in
der
Weise die Contenance verlieren, daß er selbst in das unangenehmste Ausplaudern gerät und sein Intimstes nach außen kehrt. Das mutet manchmal geradezu unheimlich an. Ist es nicht, wie wenn Einer im Fieber spricht? Dem Phantasierenden fehlt in ganz der selben Weise die Haltung und die Rücksicht … Ach, die Sache ist ganz einfach die, daß Christian sich zu viel mit sich selbst beschäftigt, mit den Vorgängen in seinem eignen Inneren. Manchmal ergreift ihn eine wahre Manie, die kleinsten und tiefsten dieser Vorgänge ans Licht zu ziehen und auszusprechen … Vorgänge, um die ein verständiger Mensch sich gar nicht bekümmert, von denen er gar nichts wissen will, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil er sich genieren würde, sie mitzuteilen. Es liegt so viel Schamlosigkeit in solcher Mitteilerei, Tony! … Siehst du: auch ein anderer Mensch als Chri {290} stian mag sagen, daß er das Theater liebt; aber er wird es mit einem anderen Accent, beiläufiger, kurz: bescheidener sagen. Christian aber sagt es mit einer Betonung, die bedeutet: Ist meine Schwärmerei für die Bühne nicht etwas ungeheuer Merkwürdiges und Interessantes? Er kämpft mit den Worten dabei, er thut, als ringe er danach, etwas ausbündig Feines, Verborgenes und Seltsames zum Ausdruck zu bringen …«
    »Ich will dir Eines sagen«, fuhr er nach einer Pause fort, indem er seine Cigarette durch die schmiedeeiserne Gitterthür in den Ofen warf … »Ich selbst habe manchmal über diese ängstliche, eitle und neugierige Beschäftigung mit sich selbst nachgedacht, denn ich habe früher ebenfalls dazu geneigt. Aber ich habe gemerkt, daß sie zerfahren, untüchtig und haltlos macht … und die Haltung, das Gleichgewicht ist für mich meinerseits die Hauptsache. Es wird immer Menschen geben, die zu diesem Interesse an sich selbst, diesem eingehenden Beobachten ihrer Empfindungen berechtigt sind, Dichter, die ihr bevorzugtes Innenleben mit Sicherheit und Schönheit auszusprechen vermögen und damit die Gefühlswelt der anderen Leute bereichern. Aber wir sind bloß einfache Kaufleute, mein Kind; unsere Selbstbeobachtungen sind verzweifelt unbeträchtlich. Wir können zur Not hervorbringen, daß das Stimmen von Orchester-Instrumenten uns ein merkwürdiges Vergnügen macht, und daß wir manchmal nicht wagen, schlucken zu wollen … Ach, wir sollen uns hinsetzen, zum Teufel, und etwas leisten, wie unsere Vorfahren etwas geleistet haben …«
    »Ja, Tom, du sprichst meine Ansicht aus. Wenn ich bedenke, daß diese Hagenströms sich immer mehr aufnehmen … O Gott, das
Geschmeiß
, weißt du … Mutter will das Wort nicht hören, aber es ist das einzig Richtige. Glauben sie vielleicht, daß es außer ihnen keine vornehmen Familien mehr giebt in der Stadt? Ha! ich muß lachen, weißt du, ich muß laut lachen …!«

{291} 3.
    Der Chef der Firma »Johann Buddenbrook« hatte seinen Bruder bei dessen Ankunft mit einem längeren, prüfenden Blick gemessen, er hatte ihm während der ersten Tage eine ganz unauffällige und beiläufige Beobachtung zugewandt, und dann, ohne daß ein Urteil auf seinem ruhigen und diskreten Gesicht zu lesen gewesen wäre, schien seine Neugier befriedigt, seine Meinung abgeschlossen zu sein. Er sprach mit ihm im Familienkreise mit gleichgültigem Tone über gleichgültige Dinge und amüsierte sich wie die Übrigen, wenn Christian irgend eine Vorstellung gab …
    Nach acht Tagen etwa sagte er zu ihm:
    »Wir werden also zusammen arbeiten, mein Junge? … Soviel ich weiß, bist du mit Mamas Wunsch im Einverständnis, nicht wahr? … Na, wie du weißt, ist Marcus mein Compagnon geworden, gegen die Quote, die seinem eingezahlten Vermögen entspricht. Ich denke mir, daß du äußerlich, als mein Bruder, ungefähr seinen früheren Platz einnehmen wirst, eine

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