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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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ist
mein
Geschmack. Ich glaube nicht, daß ein großer Erfolg vom Comptoirbock aus zu erkämpfen ist … wenigstens würde er mir nicht viel Freude {294} machen. Der Erfolg will nicht bloß am Pulte berechnet sein … Ich habe stets das Bedürfnis, den Gang der Dinge ganz gegenwärtig mit Blick, Mund und Geste zu dirigieren … ihn mit dem unmittelbaren Einfluß meines Willens, meines Talentes, meines Glückes, wie du es nennen willst, zu beherrschen. Aber das kommt leider allmählich aus der Mode, dies persönliche Eingreifen des Kaufmannes … Die Zeit schreitet fort, aber sie läßt, wie mich dünkt, das Beste zurück … Der Verkehr erleichtert sich immer mehr, die Kurse sind immer schneller bekannt … Das Risiko verringert sich und mit ihm auch der Profit … Ja, die alten Leute hatten es anders. Mein Großvater zum Beispiel … er kutschierte vierspännig nach Süd-Deutschland, der alte Herr mit seinem Puderkopf und seinen Escarpins, als preußischer Heereslieferant. Und dann charmierte er umher und ließ seine Künste spielen und machte ein unglaubliches Geld, Kistenmaker! – Ach, ich fürchte beinahe, daß der Kaufmann eine immer banalere Existenz wird, mit der Zeit …«
    So klagte er manchmal, und darum waren es im Grunde seine liebsten Geschäfte, wenn er, ganz gelegentlich, auf einem Familien-Spaziergange vielleicht, in eine Mühle eintrat, mit dem Besitzer, der sich geehrt fühlte, plauderte und leichthin, en passant, in guter Laune, einen guten Kontrakt mit ihm abschloß … Dergleichen lag seinem Socius fern.
    … Was Christian betraf, so schien er sich zunächst mit wirklichem Eifer und Vergnügen seiner Thätigkeit zu widmen; ja, er schien sich ausnehmend wohl und zufrieden darin zu befinden und hatte während mehrerer Tage eine Art, mit Appetit zu essen, seine kurze Pfeife zu rauchen und seine Schultern in dem englischen Jacket zurechtzuschieben, die seiner behaglichen Genugthuung Ausdruck gab. Er ging morgens ungefähr gleichzeitig mit Thomas ins Comptoir hinunter und nahm, neben Herrn Marcus und seinem Bruder schräg gegenüber in seinem verstellbaren Armsessel Platz, denn er hatte wie die {295} beiden Chefs einen Armsessel. Zunächst las er die »Anzeigen«, wobei er in Gemütlichkeit seine Morgencigarette zu Ende rauchte. Dann holte er sich aus dem unteren Pultschranke einen alten Cognac, streckte die Arme aus, um sich Bewegungsfreiheit zu verschaffen, sagte »Na!« und ging, während er die Zunge zwischen den Zähnen umherwandern ließ, guten Mutes zur Arbeit über. Seine englischen Briefe waren ganz außerordentlich gewandt und wirksam, denn wie er das Englische sprach, schlechthin, ungewählt, gleichgültig und mühelos dahinplätschernd, so schrieb er es auch.
    Seiner Art gemäß verlieh er im Familienkreise der Stimmung Worte, die ihn erfüllte.
    »Der Kaufmannsstand ist doch ein schöner, wirklich beglückender Beruf!« sagte er. »Solide, genügsam, emsig, behaglich … ich bin wahrhaftig ganz dafür geboren! Und so als Angehöriger des Hauses, wißt ihr … kurz, ich fühle mich so wohl wie nie. Man kommt morgens frisch ins Comptoir, man sieht die Zeitung durch, raucht, denkt an Dies und Jenes und wie gut man es hat, nimmt seinen Cognac und arbeitet mal eben ein bißchen. Es kommt die Mittagszeit, man ißt mit seiner Familie, ruht sich aus, und dann geht's wieder an die Arbeit … Man schreibt, man hat gutes, glattes, reinliches Firmenpapier, eine gute Feder … Lineal, Papiermesser, Stempel, Alles ist prima Sorte, ordentlich … und damit erledigt man Alles, emsig, nach der Reihe, Eins nach dem Anderen, bis man schließlich zusammenpackt. Morgen ist wieder ein Tag. Und wenn man zum Abendbrot hinaufgeht, fühlt man sich so durchdringend zufrieden … jedes Glied fühlt sich zufrieden … die Hände fühlen sich zufrieden …!«
    »Gott, Christian!« rief Tony. »Du machst dich ja lächerlich! Die Hände fühlen sich zufrieden …!«
    »Doch! Ja! Das kennst du also nicht? Ich meine …« Und er ereiferte sich in dem Bestreben, dies auszudrücken, dies zu {296} erklären … »Man schließt die Faust, weißt du … sie ist nicht besonders kräftig, denn man ist müde von der Arbeit. Aber sie ist nicht feucht … sie ärgert Einen nicht … Sie fühlt sich selbst gut und behaglich an … Es ist ein Gefühl von Selbstgenügsamkeit … Man kann ganz still sitzen, ohne sich zu langweilen …«
    Alle schwiegen. Dann sagte Thomas ganz gleichgültig, um seinen

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