Buddenbrooks
Geräusch auf die Stirn und sagte bewegt:
»Sei glöcklich, du gutes Kend!«
Dann sprach bei Tische Herr Arnoldsen einen seiner witzigen und phantasievollen Toaste zu Ehren der Brautpaare, und hernach, während man den Kaffee nahm, spielte er die Geige {325} wie ein Zigeuner, mit einer Wildheit, einer Leidenschaft, einer Fertigkeit … aber auch Gerda holte ihre Stradivari herbei, von der sie sich niemals trennte, und griff mit ihrer süßen Cantilene in seine Passagen ein, und sie spielten pompöse Duos, im Landschaftszimmer, beim Harmonium, an derselben Stelle, wo einstmals des Konsuls Großvater seine kleinen, sinnigen Melodieen auf der Flöte geblasen hatte.
»Erhaben!« sagte Tony, die weit zurückgebeugt in ihrem Lehnsessel saß … »O Gott, wie finde ich es erhaben!« Und ernst, langsam und gewichtig, mit aufwärts gerichteten Augen fuhr sie fort, ihre lebhaften und aufrichtigen Empfindungen auszudrücken … »Nein, wißt ihr, wie es im Leben so geht … nicht Jedem wird ja immer eine solche Gabe zuteil! Mir hat der Himmel dergleichen versagt, wißt ihr, obgleich ich ihn in mancher Nacht darum angefleht … Ich bin eine Gans, ein dummes Ding … Ja, Gerda, laß dir sagen … ich bin die Ältere und habe das Leben kennen gelernt … Du solltest täglich deinem Schöpfer auf den Knieen dafür danken, ein solch gottbegnadigtes Geschöpf zu sein …!«
»… Begnad
e
tes«, sagte Gerda und zeigte lachend ihre schönen, weißen, breiten Zähne.
Später aber rückten Alle zusammen, um gemeinsam über die nächste Zukunft das Nötige zu beratschlagen und Weingelée dazu zu essen. Am Ende des Monats oder Anfang September, so ward beschlossen, würden Sievert Tiburtius sowohl wie Arnoldsens in die Heimat zurückkehren. Gleich nach der Weihnacht sollte Claras Trauung in der Säulenhalle mit allem Aufwand gefeiert werden, während die Hochzeit in Amsterdam, der »bei Leben und Gesundheit« auch die Konsulin beizuwohnen gedachte, bis zum Beginn des nächsten Jahres verschoben werden mußte: damit eine Ruhepause vorherginge. Es half nichts, daß Thomas sich widersetzte. »Bitte!« sagte die Konsulin und legte die Hand auf seinen Arm … »Sievert hat das prévenir!«
{326} Der Pastor und seine Braut verzichteten auf eine Hochzeitsreise. Gerda und Thomas aber wurden sich einig über eine Route durch Ober-Italien nach Florenz. Sie würden etwa zwei Monate abwesend sein; unterdessen aber sollte Antonie, zusammen mit dem Tapezierer Jacobs aus der Fischstraße, das hübsche kleine Haus in der Breitenstraße bereit machen, das einem nach Hamburg verzogenen Junggesellen gehörte, und dessen Ankauf der Konsul bereits betrieb. Oh, Tony würde Das schon zur Zufriedenheit ausführen! »Ihr sollt es
vornehm
haben!« sagte sie; und davon waren Alle überzeugt.
Christian aber ging mit seinen dünnen, gebogenen Beinen und seiner großen Nase in diesem Zimmer umher, in dem zwei Brautpaare sich an den Händen hielten, und in dem von nichts Anderem, als von Trauung, Aussteuer und Hochzeitsreisen die Rede war. Er empfand eine Qual, eine unbestimmte Qual in seinem linken Bein und sah Alle aus seinen kleinen, runden, tiefliegenden Augen, ernst, unruhig und nachdenklich an. Schließlich sagte er in der Aussprache Marcellus Stengels zu seiner armen Cousine, die ältlich, still, dürr und selbst nach Tische noch hungrig inmitten der Glücklichen saß:
»Na, Thilda, nun heiraten wir auch bald; das heißt … jeder für sich!«
9.
Ungefähr sieben Monate später kehrte Konsul Buddenbrook mit seiner Gattin aus Italien zurück. März-Schnee lag in der Breitenstraße, als fünf Uhr nachmittags die Droschke an der schlichten, mit Ölfarbe gestrichenen Façade ihres Hauses vorfuhr. Ein paar Kinder und erwachsene Bürger blieben stehen, um die Ankömmlinge aussteigen zu sehen. Frau Antonie Grünlich stand, stolz auf die Vorbereitungen, die sie getroffen, in der Hausthür, und hinter ihr hielten sich, gleichfalls zum Empfange bereit, mit weißen Mützen, nackten Armen und {327} dicken, gestreiften Röcken, die beiden Dienstmädchen, die sie ihrer Schwägerin kundig erwählt hatte.
Eilfertig und erhitzt von Arbeit und Freude lief sie die flachen Stufen hinunter und zog Gerda und Thomas, die in ihren Pelzen den mit Koffern bepackten Wagen verließen, unter Umarmungen in den Hausflur hinein …
»Da seid ihr! Da seid ihr, ihr Glücklichen, die ihr so weit herumgekommen seid! Habt ihr das Haus gesehen: auf Säulen ruht sein
Weitere Kostenlose Bücher