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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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zurückgezogen und {345} hatten arge Geschichten mit ihrem Sohne … Des seligen Onkel Gotthold Mißheirat blieb etwas Unangenehmes … Des Konsuls Schwester war eine geschiedene Frau, wenn man auch die Hoffnung auf ihre Wiedervermählung nicht fahren zu lassen brauchte, – und sein Bruder sollte ein lächerlicher Mensch sein, durch dessen Clownerien sich thätige Herren mit wohlwollendem oder höhnischem Lachen die Mußestunden ausfüllen ließen, der zu alledem Schulden machte und am Ende des Quartals, wenn er kein Geld mehr hatte, sich ganz offenkundig von Doktor Gieseke freihalten ließ … eine unmittelbare Blamage der Firma.
    Die gehässige Verachtung, die Thomas auf seinem Bruder ruhen ließ, und die dieser mit einer nachdenklichen Indifferenz ertrug, äußerte sich in all den feinen Kleinlichkeiten, wie sie nur zwischen Familiengliedern, die auf einander angewiesen sind, zu Tage treten. Kam zum Beispiel das Gespräch auf die Geschichte der Buddenbrooks, so konnte Christian in die Stimmung geraten, die ihm allerdings nicht sehr gut zu Gesichte stand, mit Ernst, Liebe und Bewunderung von seiner Vaterstadt und seinen Vorfahren zu reden. Alsbald beendete der Konsul mit einer kalten Bemerkung das Gespräch. Er ertrug das nicht. Er verachtete seinen Bruder so sehr, daß er ihm nicht gestattete, dort zu lieben, wo er selbst liebte. Er hätte es viel lieber gehört, wenn Christian im Dialekte Marcellus Stengels davon gesprochen hätte. Er hatte ein Buch gelesen, irgend ein historisches Werk, das starken Eindruck auf ihn gemacht und das er mit bewegten Worten rühmte. Christian, ein unselbstständiger Kopf, der das Buch allein gar nicht ausfindig gemacht haben würde, aber eindrucksfähig und jeder Beeinflussung zugänglich, las es, in dieser Weise vorbereitet und empfänglich gemacht, nun gleichfalls, fand es ganz herrlich, gab seinen Empfindungen möglichst genauen Ausdruck … und fortan war das Buch für Thomas erledigt. Er sprach mit Gleichgültigkeit und {346} Kälte davon. Er that, als habe er es kaum gelesen. Er überließ seinem Bruder, es allein zu bewundern …

3.
    Konsul Buddenbrook kehrte aus der »Harmonie«, dem Lesezirkel für Herren, in dem er nach dem zweiten Frühstück eine Stunde verbracht hatte, in die Mengstraße zurück. Er durchschritt das Grundstück von hinten, kam rasch zur Seite des Gartens über den gepflasterten Gang, der, zwischen bewachsenen Mauern hinlaufend, den hinteren Hof mit dem vorderen verband, ging über die Diele und rief in die Küche hinein, ob sein Bruder zu Hause sei; man solle ihn benachrichtigen, wenn er käme. Dann schritt er durch das Comptoir, wo die Leute an den Pulten bei seinem Erscheinen sich tiefer über die Rechnungen beugten, in sein Privatbüreau, legte Hut und Stock beiseite, zog den Arbeitsrock an und begab sich an seinen Fensterplatz, Herrn Marcus gegenüber. Zwei Falten standen zwischen seinen auffallend hellen Brauen. Das gelbe Mundstück einer aufgerauchten russischen Cigarette wanderte unruhig von einem Mundwinkel in den anderen. Die Bewegungen, mit denen er Papier und Schreibzeug zur Hand nahm, waren so kurz und schroff, daß Herr Marcus sich mit zwei Fingern bedächtig den Schnurrbart strich und einen ganz langsamen, prüfenden Blick zu seinem Socius gleiten ließ, während die jungen Leute sich mit erhobenen Augenbrauen ansahen. Der Chef war in Zorn.
    Nach Verlauf einer halben Stunde, während der man nichts, als das Kratzen der Federn und das bedächtige Räuspern des Herrn Marcus vernommen hatte, blickte der Konsul über den grünen Fenstervorsatz hinweg und sah Christian die Straße daherkommen. Er rauchte. Er kam aus dem Klub, wo er gefrühstückt und ein kleines Jeu gemacht hatte. Er trug den Hut {347} ein wenig schief in der Stirn und schwenkte seinen gelben Stock, der »von drüben« stammte und dessen Knopf die in Ebenholz geschnitzte Büste einer Nonne darstellte. Ersichtlich war er bei guter Gesundheit und bester Laune. Irgend einen song vor sich hin summend kam er ins Comptoir, sagte »Morgen, meine Herren!« wiewohl es ein heller Frühlings-Nachmittag war, und schritt auf seinen Platz zu, um »mal eben ein bißchen zu arbeiten«. Aber der Konsul erhob sich, und im Vorübergehen sagte er, ohne ihn anzublicken:
    »Ach … auf zwei Worte, mein Lieber.«
    Christian folgte ihm. Sie gingen ziemlich rasch über die Diele. Thomas hatte die Hände auf den Rücken gelegt, und unwillkürlich that Christian dasselbe, wobei er dem Bruder

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