Buddenbrooks
gemeinsam mit Tom und Gerda, die sie für vier oder fünf Wochen nach Bad Kreuth begleitete, während die Konsulin mit Erika und der Jungmann an der Ostsee verblieb. Übrigens hatten die beiden Paare in München bereits Gelegenheit, das Haus zu besichtigen, das Herr Permaneder in der Kaufinger Straße – ganz in der Nähe also der Niederpaurs – anzukaufen im Begriffe war, und dessen größten Teil er zu vermieten gedachte; ein ganz merkwürdiges, altes Haus, mit einer schmalen Treppe, die gleich hinter der Hausthür schnurgerade und ohne Absatz und Biegung wie eine Himmelsleiter in den ersten Stock hinan führte, woselbst man erst nach beiden Seiten über den Korridor zurückschreitend zu den nach vorn gelegenen Zimmern gelangte …
Mitte August kehrte Tony nach Hause zurück, um sich während der nächsten Wochen der Sorge für ihre Aussteuer zu widmen. Vieles zwar war noch aus der Zeit ihrer ersten Ehe vorhanden, aber es mußte durch Neuankäufe ergänzt werden, und eines Tages langte aus Hamburg, woher Manches bezogen ward, sogar ein Schlafrock an … nicht mit Sammet freilich, sondern diesmal nur mit Tuchschleifen garniert.
Zu vorgeschrittener Herbstzeit traf Herr Permaneder wieder in der Mengstraße ein; man wollte die Sache nicht länger verzögern …
{391} Was die Hochzeitsfeierlichkeiten anging, so verliefen sie genau, wie Tony es erwartet und nicht anders gewünscht hatte: Es wurde nicht viel Aufhebens davon gemacht. »Lassen wir den Pomp«, sagte der Konsul; »du bist wieder verheiratet, und es ist ganz einfach, als hättest du niemals aufgehört, es zu sein.« Nur wenige Verlobungskarten waren versandt worden – daß aber Julchen Möllendorpf, geborene Hagenström, eine erhalten hatte, dafür hatte Madame Grünlich gesorgt – von einer Hochzeitsreise ward abgesehen, weil Herr Permaneder »so a Hetz'« verabscheute und Tony, vor kurzem vom Sommeraufenthalt zurückgekehrt, schon die Reise nach München zu weit fand, und die Trauung, die diesmal nicht die Säulenhalle, sondern die Marienkirche zum Schauplatze hatte, fand in engem Familienkreise statt. Tony trug mit Würde die Orangeblüten statt der Myrthen, und Hauptpastor Kölling predigte mit etwas schwächerer Stimme, als ehemals, aber noch immer in starken Ausdrücken über
Mäßigkeit
.
Christian kam von Hamburg, sehr elegant gekleidet und ein wenig angegriffen aber lustig aussehend, erzählte, daß sein Geschäft mit Burmeester »tip-top« sei, erklärte, daß Klothhilde und er sich wohl erst »da oben« verheiraten würden – »das heißt: Jeder für sich! …« und kam viel zu spät zur Kirche, weil er dem Klub einen Besuch abgestattet hatte. – Onkel Justus war sehr gerührt und zeigte sich so coulant wie stets, indem er den Neuvermählten einen außerordentlich schönen, schwersilbernen Tafelaufsatz verehrte … Er und seine Frau hungerten zu Hause beinahe, denn die schwache Mutter bezahlte dem längst enterbten und verstoßenen Jakob, der sich, wie verlautete, augenblicklich in Paris aufhielt, nach wie vor von ihrem Wirtschaftsgelde die Schulden. – Die Damen Buddenbrook aus der Breitenstraße bemerkten: »Nun, hoffentlich hält es diesmal.« Wobei das Unangenehme der allgemeine Zweifel war, ob sie dies wirklich hofften … Sesemi Weichbrodt jedoch erhob sich {392} auf die Zehenspitzen, küßte ihren Zögling, die nunmehrige Frau Permaneder mit leicht knallendem Geräusch auf die Stirn und sagte mit ihren herzlichsten Vokalen:
»Sei glöcklich, du
gutes
Kend!«
7.
Gleich morgens um acht Uhr, sobald er das Bett verlassen hatte, über die Wendeltreppe hinter der kleinen Pforte ins Souterrain hinabgestiegen war, ein Bad genommen und seinen Schlafrock wieder angelegt hatte, begann Konsul Buddenbrook sich mit öffentlichen Dingen zu beschäftigen. Dann nämlich erschien, mit seinen roten Händen und seinem intelligenten Gesicht, mit einem Topfe warmen Wassers, den er sich aus der Küche geholt, und den übrigen Utensilien, Herr Wenzel, Barbier und Mitglied der Bürgerschaft, in der Badestube, und während der Konsul sich, zurückgebeugten Hauptes, in einem großen Lehnstuhle niederließ und Herr Wenzel Schaum zu schlagen begann, entspann sich fast immer ein Gespräch, das mit Nachtruhe und Witterung beginnend, alsbald zu Ereignissen in der großen Welt überging, sich hierauf mit intim städtischen Angelegenheiten beschäftigte und mit ganz eng geschäftlichen und familiären Gegenständen zu schließen pflegte … Dies
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