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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Lebens schwere Kämpfe zu bestehen gehabt und seine Umgebung in beständiger Furcht gehalten. Als ein stilles und wenig kräftiges Kind war er zur Welt gekommen, und bald nach der Taufe hatte ein nur drei Tage dauernder Anfall von Brechdurchfall beinahe genügt, sein mit Mühe in Gang gebrachtes kleines Herz endgültig stillstehen zu lassen. Er blieb am Leben, und der gute Doktor Grabow traf nun, mit der sorgfältigsten Ernährung und Pflege, Vorkehrungen gegen die drohenden Krisen des Zahnens. Kaum aber wollte die erste weiße Spitze den Kiefer durchbrechen, als auch schon die Krämpfe sich einstellten, um sich dann stärker und einige Male in Entsetzen erregender Weise zu wiederholen. Wieder kam es dahin, daß der alte Arzt den Eltern nur noch wortlos die Hände drückte … Das Kind lag in tiefster Erschöpfung, und der stiere Seitenblick der tief umschatteten Augen, deutete auf eine Gehirnaffektion. Das Ende schien fast wünschenswert.
    Dennoch gelangte Hanno wieder zu einigen Kräften, sein Blick begann die Dinge zu fassen, und wenn auch die überstandenen Strapazen seine Fortschritte im Sprechen und Gehen verlangsamten, so gab es nun doch keine unmittelbare Gefahr mehr zu fürchten.
    Hanno war schlankgliedrig und ziemlich lang für sein Alter. Sein hellbraunes, sehr weiches Haar begann in dieser Zeit ungemein schnell zu wachsen, und fiel bald, kaum merklich gewellt, auf die Schultern seines faltigen, schürzenartigen Kleidchens nieder. Schon begannen die Familienähnlichkeiten sich vollkommen erkennbar bei ihm auszuprägen. Von Anbeginn besaß er ganz ausgesprochen die Hände der Buddenbrooks: {466} breit, ein wenig zu kurz, aber fein gegliedert; und seine Nase war genau die seines Vaters und Urgroßvaters, wenn auch die Flügel noch zarter bleiben zu wollen schienen. Das ganze längliche und schmale Untergesicht jedoch gehörte weder den Buddenbrooks noch den Krögers, sondern der mütterlichen Familie – wie auch vor allem sein Mund, der frühzeitig – schon jetzt – dazu neigte, sich in zugleich wehmütiger und ängstlicher Weise verschlossen zu halten … mit diesem Ausdruck, dem später der Blick seiner eigenartig goldbraunen Augen mit den bläulichen Schatten sich immer mehr anpaßte …
    Unter den Blicken voll verhaltener Zärtlichkeit, die sein Vater ihm schenkte, unter der Sorgfalt, mit der seine Mutter seine Kleidung und Pflege überwachte, angebetet von seiner Tante Antonie, mit Reitern und Kreiseln beschenkt von der Konsulin und Onkel Justus – begann er, zu leben, und wenn sein hübscher kleiner Wagen auf der Straße erschien, blickten die Leute ihm mit Interesse und Erwartung nach. Was aber die würdige Kinderfrau Madame Decho betraf, die zunächst noch den Dienst versah, so war es beschlossene Sache, daß in das neue Haus nicht mehr sie, sondern an ihrer Statt Ida Jungmann einziehen sollte, während die Konsulin sich nach anderer Hilfe umsehen würde …
    Senator Buddenbrook verwirklichte seine Pläne. Der Ankauf des Grundstückes in der Fischergrube machte keinerlei Schwierigkeiten, und das Haus in der Breitenstraße, zu dessen Übernahme der Makler Gosch sich sofort mit Ingrimm bereit erklärt hatte, brachte Herr Stephan Kistenmaker, dessen Familie wuchs, und der mit seinem Bruder in Rotspohn gutes Geld verdiente, unmittelbar käuflich an sich. Herr Voigt übernahm den Bau, und bald schon konnte man Donnerstags im Familienkreise seinen sauberen Riß entrollen und die Fassade im voraus schauen: ein prächtiger Rohbau mit Sandstein-Karyatiden, die den Erker trugen, und einem flachen Dache, über {467} welches Klothhilde gedehnt und freundlich bemerkte, daß man nachmittags Kaffee darauf trinken könne … Selbst in Betreff der Parterre-Räumlichkeiten des Mengstraßenhauses, die nun leer stehen würden, denn auch seine Comptoirs gedachte der Senator in die Fischergrube zu verlegen, ordnete sich rasch alles zum besten, denn es erwies sich, daß die städtische Feuer-Versicherungsgesellschaft gewillt war, die Stuben mietweise als Bureaux zu übernehmen.
    Der Herbst kam, graues Gemäuer stürzte zu Schutt zusammen, und über geräumigen Kellern erwuchs, während der Winter hereinbrach und wieder an Kraft verlor, Thomas Buddenbrooks neues Haus. Kein Gesprächsstoff in der Stadt, der anziehender gewesen wäre! Es wurde tip-top, es wurde das schönste Wohnhaus weit und breit! Gab es etwa in Hamburg schönere? … Mußte aber auch verzweifelt teuer sein, und der alte Konsul hätte solche

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