Buddenbrooks
berechtigt zu werden, eröffnete er sich zunächst seiner Schwester.
»Kurz, Tony, was hältst du von der Sache! Die Wendeltreppe zum Badezimmer ist ja ganz spaßhaft, aber im Grunde ist das Ganze doch bloß eine Schachtel. Es ist so wenig repräsentabel, {463} wie? Und jetzt, wo du es richtig dahin gebracht hast, daß ich Senator geworden bin … Mit einem Worte: Bin ich's mir schuldig …?«
Ach, mein Gott, was war er sich in Madame Permaneders Augen nicht schuldig! Sie war voll ernster Begeisterung. Sie kreuzte die Arme auf der Brust und ging mit etwas erhobenen Schultern und zurückgelegtem Kopfe im Zimmer umher.
»Da hast du recht, Tom! O Gott, wie recht du hast! Da giebt es gar keinen Einwand, denn wer zum Überfluß eine Arnoldsen mit 100 000 Thalern hat … Übrigens bin ich stolz, daß du mich zuerst ins Vertrauen ziehst, das ist schön von dir! … Und
wenn
schon, Tom, dann auch
vornehm,
das sage ich dir …!«
»Nun ja, der Meinung bin ich auch. Ich will etwas daran wenden. Voigt soll es machen, und ich freue mich schon darauf, den Riß mit dir zu besehen. Voigt hat viel Geschmack …«
Die zweite Zustimmung, die Thomas sich einholte, war diejenige Gerdas. Sie lobte den Plan durchaus. Das Getümmel des Umzuges würde nichts Angenehmes sein, aber die Aussicht auf ein großes Musikzimmer mit guter Akustik stimmte sie glücklich. Und was die alte Konsulin betraf, so war sie sofort bereit, den Bau als logische Folge der übrigen Glücksfälle zu betrachten, die sie mit Genugthuung und Dank gegen Gott erlebte. Seit der Geburt des Erben und des Konsuls Wahl in den Rat äußerte sich ihr Mutterstolz noch unverhohlener als früher; sie hatte eine Art, »mein Sohn, der Senator« zu sagen, die die Damen Buddenbrook aus der Breitenstraße aufs höchste irritierte.
Die alternden Mädchen fanden wahrhaftig allzu wenig Ablenkung von dem Anblick des eklatanten Aufschwunges, den Thomas' äußeres Leben nahm. Am Donnerstag die arme Klothilde zu verhöhnen, bereitete wenig Genugthuung, und über Christian, der durch Vermittlung Mr. Richardsons, seines ehemaligen Prinzipals, in London eine Stellung gefunden und von dort aus ganz kürzlich, den aberwitzigen Wunsch herüber {464} telegraphiert hatte, Fräulein Puvogel als Gattin sich zu nehmen, worauf er allerdings von der Konsulin aufs strengste zurückgewiesen war … über Christian, der ganz einfach zur Rangordnung Jakob Krögers gehörte, waren die Akten geschlossen. So entschädigte man sich ein wenig an den kleinen Schwächen der Konsulin und Frau Permaneders, indem man zum Beispiel das Gespräch auf Haartrachten brachte; denn die Konsulin war im stande, mit der sanftesten Miene zu sagen, sie trage »ihr« Haar schlicht … während doch alle von Gott mit Verstand begabten Menschen, vor allen aber die Damen Buddenbrook sich sagen mußten, daß der unveränderlich rötlichblonde Scheitel unter der Haube der alten Dame längst nicht mehr »ihr« Haar genannt werden könne. Noch lohnender aber war es, Cousine Tony zu veranlassen, sich ein wenig über die Personen zu äußern, die ihr bisheriges Leben in hassenswerter Weise beeinflußt hatten. Thränen-Trieschke! Grünlich! Permaneder! Hagenströms! … Diese Namen, die Tony, wenn sie gereizt ward, wie ebenso viele kleine Trompetenstöße des Abscheus mit etwas emporgezogenen Schultern in die Luft hinein verlauten ließ, klangen den Töchtern Onkel Gottholds recht angenehm in die Ohren.
Übrigens verhehlten sie sich nicht – und übernahmen keineswegs die Verantwortung, es zu verschweigen, – daß der kleine Johann zum Erschrecken langsam gehen und sprechen lerne … Sie waren im Rechte damit, und es ist zuzugeben, daß Hanno – dies war der Rufname, den Frau Senator Buddenbrook für ihren Sohn eingeführt hatte – zu einer Zeit, als er alle Mitglieder seiner Familie mit ziemlicher Korrektheit zu nennen vermochte, noch immer außer stande war, die Namen Friederike, Henriette und Pfiffi in verständlicher Weise zu bilden. Was das Gehen betraf, so war ihm jetzt, im Alter von fünf Vierteljahren noch kein selbständiger Schritt gelungen, und es war um diese Zeit, daß die Damen Buddenbrook mit hoff {465} nungslosem Kopfschütteln erklärten, dieses Kind werde stumm und lahm bleiben für sein ganzes Leben.
Sie durften später diese traurige Prophezeiung als Irrtum erkennen; aber niemand leugnete, daß Hanno in seiner Entwicklung ein wenig zurückstand. Er hatte gleich in der frühesten Zeit seines
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