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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Sprünge sicherlich nicht gemacht … Die Nachbarn, die Bürgersleute in den Giebelhäusern, lagen in den Fenstern, sahen den Arbeiten der Männer auf den Gerüsten zu, freuten sich, wie der Bau emporstieg, und suchten den Zeitpunkt des Richtfestes zu bestimmen.
    Es kam heran, und ward mit allen Umständlichkeiten begangen. Droben auf dem flachen Dache hielt ein alter Maurerpolier eine Rede, an deren Ende er eine Champagnerflasche über seine Schulter schleuderte, während zwischen den Fahnen die großmächtige Richtkrone aus Rosen, grünem Laub und bunten Bändern schwerfällig im Winde schwankte. Dann aber ward in einem nahen Wirtshause den sämtlichen Arbeitern an langen Tischen ein Festmahl mit Bier, belegtem Butterbrot und Cigarren gegeben, und mit seiner Gattin und seinem kleinen Sohne, den Madame Decho auf dem Arme trug, schritt Senator Buddenbrook in dem niedrigen Raume zwischen den Reihen der Tafelnden hindurch und nahm dankend die Hochrufe entgegen, die man ihm darbrachte.
    {468} Draußen ward Hanno wieder in seinen Wagen gesetzt, und Thomas überschritt mit Gerda den Fahrdamm, um noch einen Blick an der roten Fassade mit den weißen Karyatiden hinaufgleiten zu lassen. Drüben, vor dem kleinen Blumenladen mit der schmalen Thür und dem dürftigen Schaufensterchen, in welchem ein paar Töpfe mit Zwiebelgewächsen nebeneinander auf einer grünen Glasscheibe paradierten, stand Iwersen, der Besitzer des Geschäftes, ein blonder, riesenstarker Mann, in wollener Jacke, neben seiner Frau, die weit schmächtiger war und einen dunklen, südlichen Gesichtstypus zeigte. Sie hielt einen vier- oder fünfjährigen Jungen an der einen Hand, schob mit der andern ein Wägelchen, in dem ein kleineres Kind schlummerte, langsam hin und her und befand sich ersichtlich in guter Hoffnung.
    Iwersen verbeugte sich ebenso tief wie ungeschickt, während seine Frau, die nicht aufhörte, das Kinderwägelchen hin und her zu rollen, aus ihren schwarzen, länglich geschnittenen Augen ruhig und aufmerksam die Senatorin betrachtete, die am Arme ihres Gatten auf sie zukam.
    Thomas blieb stehen und wies mit dem Stock nach der Richtkrone hinauf.
    »Das haben Sie schön gemacht, Iwersen!«
    »Kömmt nich mir zu, Herr Senator. Dat's min Fru eer Saak.«
    »Ah!« sagte der Senator kurz, wobei er mit einem kleinen Ruck den Kopf erhob, und eine Sekunde lang hell, fest und freundlich in das Gesicht Frau Iwersens blickte. Und ohne ein Wort hinzuzufügen, verabschiedete er sich mit einer verbindlichen Handbewegung.

6.
    Eines Sonntags, zu Beginn des Juli – Senator Buddenbrook hatte seit etwa vier Wochen sein neues Haus bezogen – erschien Frau Permaneder noch gegen Abend bei ihrem Bruder. Sie {469} überschritt den kühlen, steinernen Flur, der mit Reliefs nach Thorwaldsen geschmückt war, und von dem zur Rechten eine Thür in die Comptoirs führte, schellte an der Windfangthür, die von der Küche aus durch den Druck auf einen Gummiball geöffnet werden konnte, und erfuhr auf dem geräumigen Vorplatz, wo, am Fuße der Haupttreppe, der Bär, das Geschenk der Tiburtius' stand, von Anton, dem Bedienten, daß der Senator noch bei der Arbeit sei.
    »Schön«, sagte sie, »danke, Anton; ich gehe zu ihm.«
    Aber sie schritt zuvor noch am Comptoireingang vorbei, ein wenig nach rechts, dorthin, wo über ihr das kolossale Treppenhaus sich aufthat, dieses Treppenhaus, das im ersten Stockwerk von der Fortsetzung des gußeisernen Treppengeländers gebildet ward, in der Höhe der zweiten Etage aber zu einer weiten Säulengalerie in Weiß und Gold wurde, während von der schwindelnden Höhe des »einfallenden Lichtes« ein mächtiger, goldblanker Lustre herniederschwebte … »Vornehm!« sagte Frau Permaneder leise und befriedigt, indem sie in diese offene und helle Pracht hineinblickte, die ihr ganz einfach die Macht, den Glanz und Triumph der Buddenbrooks bedeutete. Dann aber fiel ihr ein, daß sie in einer betrübenden Angelegenheit hierher gekommen sei, und sie wandte sich langsam dem Comptoireingang zu.
    Thomas war ganz allein dort drinnen; er saß an seinem Fensterplatz und schrieb einen Brief. Er blickte auf, indem er eine seiner hellen Brauen emporzog, und streckte seiner Schwester die Hand entgegen.
    »'N Abend, Tony. Was bringst du Gutes.«
    »Ach, nicht viel Gutes, Tom! … Nein, das Treppenhaus ist gar zu herrlich! … Übrigens sitzest du hier im Halbdunkeln und schreibst.«
    »Ja … ein eiliger Brief. – Also nichts Gutes? Jedenfalls

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