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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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ein bißchen rasch und oben hinaus … Im übrigen lassen sich deine Eltern, was mich so aufrichtig freut, nichts abgehen, sie führen ein herrschaftliches Leben, wie es … ihren Verhältnissen entspricht …«
    Die Konsulin lächelte nachsichtig; sie kannte das Vorurteil ihres Gatten gegen die eleganten Neigungen ihrer Familie.
    »Genug«, fuhr er fort und legte den Rest seiner Cigarre in den Aschbecher, »ich meinesteils verlasse mich in der Hauptsache darauf, daß der Herr mir meine Arbeitskraft erhalten wird, damit ich mit seiner gnädigen Hilfe das Vermögen der Firma {87} auf die ehemalige Höhe zurückführen kann … Ich hoffe, deine Einsicht ist nun eine klarere, liebe Bethsy –?«
    »Vollkommen, Jean, vollkommen!« beeilte sich die Konsulin zu antworten, denn sie gab für heute Abend den Bedienten auf. »Aber laß uns zur Ruhe gehn, wie? es ist allzu spät geworden …«
    Übrigens wurde nach ein paar Tagen, als der Konsul gut gelaunt aus dem Comptoir zu Tische kam, dennoch der Beschluß gefaßt, Möllendorpfs Anton zu engagieren.

6.
    »Tony geben wir in Pension, und zwar zu Fräulein Weichbrodt«, sagte Konsul Buddenbrook, und er äußerte das so bestimmt, daß es dabei blieb.
    Weniger zufrieden nämlich, wie angedeutet, als mit Thomas, der sich mit Talent in die Geschäfte einlebte, mit Clara, die munter heranwuchs, und der armen Klothhilde, deren Appetit jeden Menschen erfreuen mußte, konnte man mit Tony und Christian sein. Was den letzteren anging, so war es das Wenigste, daß er beinahe jeden Nachmittag genötigt war, bei Herrn Stengel Kaffee zu trinken, – obgleich die Konsulin, der dies zu viel wurde, eines Tages den Herrn Lehrer durch ein zierliches Handbillet zum Zwecke einer Rücksprache zu sich in die Mengstraße entbot. Herr Stengel erschien in seiner Sonntagsperücke, mit seinen höchsten Vatermördern, die Weste von lanzenartig gespitzten Bleistiften starrend, und saß mit der Konsulin im Landschaftszimmer, während Christian heimlich im Eßsaale der Unterredung zuhörte. Der ausgezeichnete Erzieher legte beredt, wenn auch ein wenig befangen, seine Ansichten dar, sprach von dem bedeutsamen Unterschied zwischen »Line« und »Strich«, erwähnte des schönen grünen Waldes sowie des Kohlenkastens und gebrauchte im übrigen während dieser Visite beständig das Wort »infolgedessen«, das ihm {88} wohl dieser vornehmen Umgebung am besten zu entsprechen schien. Nach einer Viertelstunde erschien der Konsul, jagte Christian davon und drückte Herrn Stengel sein lebhaftes Bedauern darüber aus, daß sein Sohn ihm Ursache zur Unzufriedenheit gegeben habe … »Oh, behüte, Herr Konsul, ich bitte ergebenst! Ein geweckter Kopf, ein munterer Patron, der Schüler Buddenbrook. Und infolgedessen … Allein ein wenig übermütig, wenn ich mir erlauben darf, hm … und infolgedessen …« Der Konsul führte ihn höflich im Hause umher, worauf Herr Stengel sich verabschiedete … Das alles aber war nicht das Schlimme.
    Das Schlimme bestand darin, daß Folgendes bekannt wurde: Der Schüler Christian Buddenbrook durfte eines Abends mit einem guten Freunde das Stadttheater besuchen, woselbst »Wilhelm Tell« von Schiller gegeben wurde; die Rolle von Tells Knaben Walter jedoch spielte eine junge Dame, eine Demoiselle Meyer-de la Grange, mit der es eine eigne Bewandtnis hatte. Sie pflegte nämlich, war es ihrer Rolle nun angemessen oder nicht, auf der Bühne eine Brillant-Broche zu tragen, die notorisch echt war, denn, wie allgemein bekannt, war sie ein Geschenk des jungen Konsuls Peter Döhlmann, Sohn des verstorbenen Holzgroßhändlers Döhlmann in der Ersten Wallstraße vorm Holstenthor. Konsul Peter gehörte zu den Herren, die in der Stadt »Suitiers« genannt wurden – wie zum Beispiel auch Justus Kröger – das heißt, seine Lebensführung war ein wenig locker. Er war verheiratet und besaß sogar eine kleine Tochter, befand sich aber seit längerer Zeit mit seiner Gattin in Zwietracht und lebte ganz wie ein Junggeselle. Das Vermögen, das sein Vater ihm hinterlassen hatte, dessen Geschäft er sozusagen fortführte, war ziemlich bedeutend gewesen, aber man sagte sich, daß er dennoch vom Kapitale zehre. Er hielt sich meistens im »Klub« oder im Ratskeller auf, um zu frühstücken, ward jeden Morgen um 4 Uhr irgendwo in den Straßen gesehen {89} und unternahm häufig Geschäftsreisen nach Hamburg. Vor allem jedoch war er ein eifriger Theaterliebhaber, versäumte keine Vorstellung und nahm

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