Buddenbrooks
Christian diejenige mit dem Vater; besonders sein rundes und festes Kinn und die feingeschnittene, gerade Nase waren die des Alten. Sein seitwärts gescheiteltes Haar, das in zwei Einbuchtungen von den schmalen und auffällig geäderten Schläfen zurücktrat, war dunkelblond, und im Gegensatz dazu erschienen die langen Wimpern und die Brauen, von denen er gern die eine ein wenig emporzog, ungewöhnlich hell und farblos. Seine Bewegungen, seine Sprache sowie sein Lachen, das seine ziemlich mangelhaften Zähne sehen ließ, war ruhig und verständig. Er blickte seinem Beruf mit Ernst und Eifer entgegen …
Es war ein äußerst feierlicher Tag, als der Konsul ihn nach dem ersten Frühstück mit sich in die Comptoirs hinunternahm, um ihn Herrn Marcus, dem Prokuristen, Herrn Havermann, dem Kassierer, sowie dem übrigen Personale zu präsentieren, mit dem er eigentlich längst Gut-Freund war; als er zum ersten Male auf seinem Drehsessel am Pulte saß, emsig mit Stempeln, Ordnen, Kopieren beschäftigt, und als der Vater ihn nachmittags auch an die Trave hinunter in die Speicher »Linde«, »Eiche«, »Löwe« und »Walfisch« führte, wo Thomas eigentlich ebenfalls längst zu Hause war, wo er aber nun als Mitarbeiter vorgestellt wurde …
Er war mit Hingebung bei der Sache und ahmte den stillen und zähen Fleiß des Vaters nach, der mit zusammengebissenen Zähnen arbeitete und manches Gebet um Beistand in sein Tagebuch schrieb; denn es galt, die bedeutenden Mittel wieder einzubringen, die beim Tode des Alten der »Firma«, diesem vergötterten Begriff, verloren gegangen waren … Eines Abends, sehr spät, im Landschaftszimmer, ließ er sich gegen die Konsulin ziemlich eingehend über die Verhältnisse aus.
Es war halb 12 Uhr, und die Kinder, sowie Mamsell Jungmann schliefen draußen in den Zimmern am Korridor, denn der zweite Stock stand nun leer und wurde nur dann und wann {83} für Fremde gebraucht. Die Konsulin saß auf dem gelben Sofa neben ihrem Gatten, der, eine Cigarre im Munde, die Kursnotizen der städtischen Anzeigen überblickte. Sie beugte sich über eine Seiden-Stickerei und bewegte leichthin die Lippen, während sie mit der Nadel eine Reihe von Stichen zählte. Neben ihr, auf dem zierlichen Nähtisch mit Goldornamenten, brannten die sechs Kerzen eines Armleuchters; der Kronleuchter hing unbenutzt.
Johann Buddenbrook, der sich allgemach der Mitte der Vierziger näherte, hatte in den letzten Jahren ersichtlich gealtert. Seine kleinen, runden Augen schienen noch tiefer zu liegen, die große, gebogene Nase sprang, wie die Wangenknochen, noch schärfer hervor, und ein Puderquast schien an den Schläfen ein paarmal ganz leicht sein aschblondes, sorgfältig gescheiteltes Haar berührt zu haben. Die Konsulin ihrerseits stand am Ende der Dreißiger, aber sie konservierte ihre nicht schöne und dennoch glänzende Erscheinung aufs beste, und ihr mattweißer Teint mit den vereinzelten Sommersprossen hatte an Zartheit nichts eingebüßt. Ihr rötliches, kunstvoll frisiertes Haar war vom Schein der Kerzen durchleuchtet. Während sie die ganz hell-blauen Augen ein wenig beiseite gleiten ließ, sagte sie:
»Eines wollte ich dir zur Überlegung empfehlen, mein lieber Jean: ob es nämlich nicht ratsam wäre, einen Bedienten zu engagieren … Ich bin zu dieser Überzeugung gekommen. Wenn ich an meine Eltern denke …«
Der Konsul ließ die Zeitung auf die Kniee sinken, und während er die Cigarre aus dem Munde nahm, wurden seine Augen aufmerksam, denn es handelte sich um Geldausgeben.
»Ja, meine liebe und verehrte Bethsy«, fing er an und zog die Anrede in die Länge, denn er mußte seine Einwände ordnen. »Einen Bedienten? Wir haben nach dem Tode der seligen Eltern alle drei Mädchen, von Mamsell Jungmann abgesehen, im Hause behalten, und mich dünkt …«
{84} »Ach, das Haus ist so groß, Jean, daß es beinahe fatal ist. Ich sage: ›Lina, mein Kind, im Hinterhaus ist schrecklich lange nicht abgestäubt worden!‹ aber ich mag die Leute nicht überanstrengen, denn sie müssen schon pusten, wenn hier vorn alles nett und reinlich ist … Ein Diener wäre so angenehm für Kommissionen und dergleichen … Man bekommt einen braven und anspruchslosen Mann vom Lande … Aber ehe ich es vergesse, Jean: Louise Möllendorpf will ihren Anton gehen lassen; ich habe ihn mit Sicherheit servieren sehen …«
»Ich muß gestehen«, sagte der Konsul und rückte ein wenig unbehaglich hin und her, »daß dieser Gedanke mir
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