Buddenbrooks
persönliches Interesse an dem ausübenden Personal. Demoiselle Meyer-de la Grange war die letzte der jungen Künstlerinnen, die er in den vergangenen Jahren mit Brillanten ausgezeichnet hatte …
Um zur Sache zu kommen, so sah die junge Dame als Walter Tell – sie trug auch in dieser Rolle ihre Brillantbrosche – ganz allerliebst aus und spielte so rührend, daß dem Schüler Buddenbrook vor innerer Begeisterung die Thränen in die Augen traten, ja daß er sich zu einer Handlungsweise hinreißen ließ, wie sie nur aus einem allzu starken Empfinden hervorgehen kann. In einer Pause nämlich erstand er im gegenüber gelegenen Blumenladen für 1 Mark 8 ½ Schilling ein Bouquet, mit welchem dieser vierzehnjährige Knirps mit seiner großen Nase und seinen kleinen tiefliegenden Augen den Weg zum Bühnenraum marschierte und, da niemand ihn aufhielt, vor einer Garderobenthür auf Fräulein Meyer-de la Grange stieß, die im Gespräche mit Konsul Peter Döhlmann stand. Der Konsul wäre vor Lachen beinahe gegen die Wand gefallen, als er Christian mit dem Bouquet daherkommen sah; der neue Suitier aber machte ernsthaft sein bestes Kompliment vor Walter Tell, überreichte ihm die Blumen, schüttelte langsam den Kopf und sagte in einem Tone, der vor Aufrichtigkeit beinahe bekümmert klang:
»Fräulein, wie schön haben Sie gespielt!«
»Nun seh' mal einer diesen Krischan Buddenbrook!« schrie Konsul Döhlmann mit seiner breiten Aussprache. Fräulein Meyer-de la Grange aber zog die hübschen Brauen empor und fragte:
»Sohn von Konsul Buddenbrook?« Dann streichelte sie ihrem neuen Verehrer mit vielem Wohlwollen die Wange.
Dies war der Thatbestand, den Peter Döhlmann am selben {90} Abend im »Klub« zum besten gab, der mit ungeheurer Schnelligkeit in der Stadt bekannt wurde und sogar dem Schuldirektor zu Ohren kam, der ihn wiederum zum Gegenstande einer Unterredung mit Konsul Buddenbrook machte. Wie faßte dieser die Sache auf? Er war weniger zornig als gradezu überwältigt und geschlagen … Als er der Konsulin Mitteilung machte, saß er beinahe gebrochen im Landschaftszimmer.
»Das ist unser Sohn, so entwickelt er sich …«
»Jean, mein Gott, dein Vater hätte gelacht darüber … Und erzähle es nur Donnerstag bei meinen Eltern, Papa wird sich köstlich amüsieren …«
Hier begehrte der Konsul auf. »Ha! Ja! ich bin überzeugt, daß er sich amüsieren wird, Bethsy! Er wird sich freuen, daß sein leichtfertiges Blut und seine unfrommen Neigungen nicht nur in Justus, dem … Suitier, sondern ersichtlich auch in einem seiner Enkel fortleben … sapperlot, du zwingst mich zu dieser Äußerung! Er geht zu dieser Person! Er giebt sein Taschengeld aus für diese Lorette –! Er weiß es nicht, nein; aber die Neigung zeigt sich! Die Neigung zeigt sich! …«
Ja, das war ein schlimmer Fall; und der Konsul war um so entsetzter, als auch Tony, wie gesagt, sich nicht zum besten betrug. Zwar verzichtete sie mit den Jahren darauf, den bleichen Mann tanzen zu lassen und die Puppenliese zu besuchen; aber sie zeigte eine immer keckere Art, den Kopf in den Nacken zu werfen und äußerte, besonders, wenn sie den Sommer draußen bei den Großeltern verlebt hatte, einen argen Hang zu Hoffart und Eitelkeit.
Eines Tages überraschte der Konsul sie mit Verdruß dabei, daß sie gemeinsam mit Mamsell Jungmann Clauren's »Mimili« las; er blätterte in dem Bändchen, schwieg und verschloß es auf immer. Kurz darauf kam es an den Tag, daß Tony – Antonie Buddenbrook – ganz allein mit einem Gymnasiasten, einem Freunde ihrer Brüder, vorm Thore spazieren gegangen war. {91} Frau Stuht, die selbe, die in den ersten Kreisen verkehrte, hatte die beiden erblickt, hatte sich, gelegentlich eines Kleiderankaufes bei Möllendorpfs, darüber geäußert, daß nun wahrhaftig auch Mamsell Buddenbrook schon in die Jahre komme, wo … und Frau Senatorin Möllendorpf hatte in heiterem Tone dem Konsul davon erzählt. Diese Spaziergänge wurden verhindert. Dann aber erwies es sich, daß Mademoiselle Tony aus jenen alten, hohlen Bäumen, gleich hinter dem Burgthore, die nur lückenhaft mit Mörtelmasse gefüllt waren, kleine Korrespondenzen abholte oder daselbst zurückließ, die von ebendemselben Gymnasiasten herrührten oder an ihn gerichtet waren. Als dies am Lichte war, erschien es geboten, die nun fünfzehnjährige Tony in strengere Obhut zu geben, in eine Pension, in diejenige von Fräulein Weichbrodt, am Mühlenbrink Numero
Weitere Kostenlose Bücher