Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
Vom Netzwerk:
dem junge Mädchen fremde junge Herren messen, und dessen {104} Ausdruck jeden Augenblick bereit scheint, in Verachtung überzugehen.
    »Wir haben Verwandte in Hamburg«, bemerkte Tony, um etwas zu sagen.
    »Die Duchamps«, erklärte der Konsul, »die Familie meiner seligen Mutter.«
    »O, ich bin vollkommen orientiert!« beeilte sich Herr Grünlich zu erwidern. »Ich habe die Ehre, ein wenig bei den Herrschaften bekannt zu sein. Es sind ausgezeichnete Menschen insgesamt, Menschen von Herz und Geist, – hä-ä-hm. In der That, wenn in allen Familien ein Geist herrschte, wie in dieser, so stünde es besser um die Welt. Hier findet man Gottesglaube, Mildherzigkeit, innige Frömmigkeit, kurz die wahre Christlichkeit, die mein Ideal ist; und damit verbinden diese Herrschaften eine edle Weltläufigkeit, eine Vornehmheit, eine glänzende Eleganz, Frau Konsulin, die mich persönlich nun einmal charmiert!«
    Tony dachte: Woher kennt er meine Eltern? Er sagt ihnen, was sie hören wollen … Der Konsul aber sprach beifällig:
    »Diese doppelte Geschmacksrichtung kleidet jeden Mann aufs beste.«
    Und die Konsulin konnte nicht umhin, dem Gaste mit einem leisen Klirren des Armbandes die Hand zu reichen, deren Fläche sie in herzlicher Weise ganz weit herumdrehte.
    »Sie reden mir aus der Seele, mein werter Herr Grünlich!« sagte sie.
    Hierauf verbeugte sich Herr Grünlich, setzte sich zurecht, strich über seinen Backenbart und hüstelte, als wollte er sagen: »Fahren wir fort.«
    Die Konsulin ließ ein paar Worte fallen über die für Herrn Grünlichs Vaterstadt so furchtbaren zweiundvierziger Maitage … »In der That«, bemerkte Herr Grünlich, »ein schweres Unglück, eine betrübende Heimsuchung, dieser Brand. Ein {105} Schade von 135 Millionen, ja, das ist ziemlich genau berechnet. Übrigens bin ich meinerseits der Vorsehung zu hohem Danke verpflichtet … ich bin nicht im geringsten getroffen worden. Das Feuer wütete hauptsächlich in den Kirchspielen Sankt Petri und Nikolai … Welch reizender Garten«, unterbrach er sich, während er sich dankend mit einer Cigarre des Konsuls bediente, »– doch, für einen Stadtgarten ist er ungewöhnlich groß! Und welch farbiger Blumenflor … o, mein Gott, ich gestehe meine Schwäche für Blumen und für die Natur im allgemeinen! Diese Klatschrosen dort drüben putzen ganz ungemein …«
    Herr Grünlich lobte die vornehme Anlage des Hauses, er lobte die ganze Stadt überhaupt, er lobte auch die Cigarre des Konsuls und hatte für Jeden ein liebenswürdiges Wort.
    »Darf ich es wagen, mich nach Ihrer Lektüre zu erkundigen, Mademoiselle Antonie?« fragte er lächelnd.
    Tony zog aus irgend einem Grunde plötzlich die Brauen zusammen und antwortete ohne Herrn Grünlich anzublicken:
    »Hoffmanns Serapionsbrüder.«
    »In der That! Dieser Schriftsteller hat Hervorragendes geleistet«, bemerkte er. »Aber um Vergebung … ich vergaß den Namen Ihres zweiten Herrn Sohnes, Frau Konsulin.«
    »Christian.«
    »Ein schöner Name! Ich liebe, wenn ich das aussprechen darf« – und Herr Grünlich wandte sich wieder an den Hausherrn – »die Namen, welche schon an und für sich erkennen lassen, daß ihr Träger ein Christ ist. In Ihrer Familie ist, wie ich weiß, der Name Johann erblich … wer dächte dabei nicht an den Lieblingsjünger des Herrn. Ich zum Beispiel, wenn ich mir diese Bemerkung gestatten darf«, fuhr er mit Beredsamkeit fort, »heiße wie die meisten meiner Vorfahren Bendix, – ein Name, der ja nur als eine mundartliche Zusammenziehung von Benedikt zu betrachten ist. Und Sie lesen, Herr Buddenbrook? Ah, {106} Cicero! Eine schwierige Lektüre, die Werke dieses großen römischen Redners. Quousque tandem, Catilina … hä-ä-hm, ja, ich habe mein Latein gleichfalls noch nicht völlig vergessen!«
    Der Konsul sagte:
    »Ich habe, im Gegensatze zu meinem seligen Vater, immer meine Einwände gehabt gegen diese fortwährende Beschäftigung der jungen Köpfe mit dem Griechischen und Lateinischen. Es giebt so viele ernste und wichtige Dinge, die zur Vorbereitung auf das praktische Leben nötig sind …«
    »Sie sprechen meine Meinung aus, Herr Konsul«, beeilte sich Herr Grünlich zu antworten, »bevor ich ihr Worte verleihen konnte! Eine schwierige und, wie ich hinzuzufügen vergaß,
nicht unanfechtbare
Lektüre. Von allem abgesehen, erinnere ich mich einiger direkt anstößiger Stellen in diesen Reden …«
    Als eine Pause entstand, dachte Tony: Jetzt komme ich an die

Weitere Kostenlose Bücher