Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
Vom Netzwerk:
Reihe. Denn Herrn Grünlichs Blicke ruhten auf ihr. Und richtig, sie kam an die Reihe. Herr Grünlich nämlich schnellte plötzlich ein wenig auf seinem Sitze empor, machte eine kurze, krampfhafte und dennoch elegante Handbewegung nach der Seite der Konsulin und flüsterte heftig:
    »Ich bitte Sie, Frau Konsulin, beachten Sie? – Ich beschwöre Sie, mein Fräulein«, unterbrach er sich laut, als ob Tony nur dies verstehen sollte, »bleiben Sie noch einen Moment in dieser Stellung …! – Beachten Sie«, fuhr er wieder flüsternd fort, »wie die Sonne in dem Haare Ihres Fräulein Tochter spielt? – Ich habe niemals schöneres Haar gesehen!« sprach er plötzlich ernst vor Entzücken in die Luft hinein, als ob er zu Gott oder seinem Herzen redete.
    Die Konsulin lächelte wohlgefällig, der Konsul sagte: »Setzen Sie der Dirn keine Schwachheiten in den Kopf!« und Tony zog wiederum stumm die Brauen zusammen. Einige Minuten darauf erhob sich Herr Grünlich.
    »Aber ich inkommodiere nicht länger, nein, bei Gott, Frau {107} Konsulin, ich inkommodiere nicht länger! Ich kam in Geschäften … allein wer könnte widerstehen … Nun ruft die Thätigkeit! Wenn ich den Herrn Konsul ersuchen dürfte …«
    »Ich brauche Sie nicht zu versichern«, sagte die Konsulin, »wie sehr es mich freuen würde, wenn Sie während der Dauer Ihres Aufenthaltes am Orte in unserem Hause vorlieb nehmen möchten …«
    Herr Grünlich blieb einen Augenblick stumm vor Dankbarkeit. »Ich bin Ihnen von ganzer Seele verbunden, Frau Konsulin!« sagte er mit dem Ausdruck der Rührung. »Aber ich darf Ihre Liebenswürdigkeit nicht mißbrauchen. Ich bewohne ein paar Zimmer im Gasthause Stadt Hamburg …«
    »Ein
paar
Zimmer«, dachte die Konsulin, und dies war es auch, was sie nach Herrn Grünlichs Absicht denken sollte.
    »Jedenfalls«, beschloß sie, indem sie ihm noch einmal mit herzlicher Bewegung die Hand bot, »hoffe ich, daß wir uns nicht zum letzten Male gesehen haben.«
    Herr Grünlich küßte der Konsulin die Hand, wartete einen Augenblick, daß auch Antonie ihm die ihrige reiche, was aber nicht geschah, beschrieb einen Halbkreis mit dem Oberkörper, trat einen großen Schritt zurück, verbeugte sich nochmals, setzte dann mit einem Schwunge und indem er das Haupt zurückwarf, seinen grauen Hut auf und schritt mit dem Konsul davon …
    »Ein angenehmer Mann!« wiederholte der letztere, als er zu seiner Familie zurückkehrte und seinen Platz wieder einnahm.
    »Ich finde ihn
albern
«, erlaubte sich Tony zu bemerken und zwar mit Nachdruck.
    »Tony! Mein Gott! Was für ein Urteil!« rief die Konsulin ein wenig entrüstet. »Ein so christlicher junger Mann!«
    »Ein so wohlerzogener und weltläufiger Mann!« ergänzte der Konsul. »Du weißt nicht was du sagst.« – Es geschah manchmal, daß die Eltern in dieser Weise aus Höflichkeit den Standpunkt wechselten; dann waren sie desto sicherer, einig zu sein.
    {108} Christian zog seine große Nase in Falten und sagte:
    »Wie wichtig er immer spricht! … Man plaudert! Wir plauderten gar nicht. Und Klatschrosen putzen ungemein! Manchmal thut er, als ob er ganz laut zu sich selbst spräche. Ich störe – ich muß um Verzeihung bitten! … Ich habe niemals schöneres Haar gesehen! …« Und Christian ahmte Herrn Grünlich so vortrefflich nach, daß selbst der Konsul lachen mußte.
    »Ja, er macht sich allzu wichtig!« fing Tony wieder an. »Er sprach beständig von sich selbst!
Sein
Geschäft ist rege,
er
liebt die Natur,
er
bevorzugt die und die Namen,
er
heißt Bendix … Was geht uns das an, möchte ich wissen … Er sagt alles nur, um sich herauszustreichen!« rief sie plötzlich ganz wütend. »Er sagte dir, Mama, und dir, Papa,
nur
, was ihr gern hört, um sich bei euch einzuschmeicheln!«
    »Das ist kein Vorwurf, Tony!« sagte der Konsul streng. »Man befindet sich in fremder Gesellschaft, zeigt sich von seiner besten Seite, setzt seine Worte und sucht, zu gefallen – das ist klar …«
    »Ich finde, er ist ein guter Mensch«, sagte Klothhilde sanft und gedehnt, obgleich sie die einzige Person war, um die Herr Grünlich sich nicht im Geringsten bekümmert hatte. Thomas enthielt sich des Urteils.
    »Genug«, beschloß der Konsul, »er ist ein christlicher, tüchtiger, thätiger und fein gebildeter Mann, und du, Tony, ein großes Mädchen von 18 oder nächstens 19 Jahren, gegen das er sich so artig und galant betragen hat, du solltest deine Tadelsucht bezähmen. Wir alle sind

Weitere Kostenlose Bücher