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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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ihre Thränen traten zurück vor Verblüffung. Das also war die Wirkung des vorsichtigen väterlichen Briefes, der jede Entscheidung auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben hatte! – Sie stammelte drei oder viermal:
    »Sie irren sich. – Sie irren sich …«
    Herr Grünlich hatte einen Armsessel ganz dicht an ihren Fenstersitz herangezogen, er setzte sich, er nötigte auch sie selbst, sich wieder niederzulassen, und während er, vornüber gebeugt, ihre Hand, die schlaff war vor Ratlosigkeit, in der seinen hielt, fuhr er mit bewegter Stimme fort:
    »Fräulein Antonie … Seit dem ersten Augenblicke, seit jenem Nachmittage … Sie erinnern sich jenes Nachmittages? … als ich Sie zum ersten Male im Kreise der Ihrigen, eine so vornehme, so traumhaft liebliche Erscheinung, erblickte … ist Ihr Name mit unauslöschlichen Buchstaben in mein Herz geschrieben …« Er verbesserte sich und sagte: »gegraben«. »Seit jenem Tage, Fräulein Antonie, ist es mein einziger, mein heißer Wunsch, Ihre schöne Hand fürs Leben zu gewinnen, und was der Brief Ihres
lieben
Herrn Vaters mich nur hoffen ließ, das werden Sie mir nun zur glücklichen Gewißheit machen … nicht wahr?! ich darf mit Ihrer Gegenneigung rechnen … Ihrer Gegenneigung sicher sein!« Hierbei ergriff er auch mit der anderen Hand die ihre und blickte ihr tief in die ängstlich {119} geöffneten Augen. Er trug heute keine Zwirnhandschuhe; seine Hände waren lang, weiß und von hohen, blauen Adern durchzogen.
    Tony starrte in sein rosiges Gesicht, auf die Warze an seiner Nase und in seine Augen, die so blau waren, wie diejenigen einer Gans.
    »Nein, nein!« brachte sie rasch und angstvoll hervor. Hierauf sagte sie noch: »Ich gebe Ihnen nicht mein Jawort!« Sie bemühte sich fest zu sprechen, aber sie weinte schon.
    »Womit habe ich dieses Zweifeln und Zögern Ihrerseits verdient?« fragte er mit tief gesenkter und fast vorwurfsvoller Stimme. »Sie sind ein von liebender Sorgfalt behütetes und verwöhntes Mädchen … aber ich schwöre Ihnen, ja, ich verpfände Ihnen mein Manneswort, daß ich Sie auf Händen tragen werde, daß Sie als meine Gattin nichts entbehren werden, daß Sie in Hamburg ein Ihrer würdiges Leben führen werden …«
    Tony sprang auf, sie befreite ihre Hand, und während ihre Thränen hervorstürzten, rief sie völlig verzweifelt:
    »Nein … nein! Ich habe ja
nein
gesagt! Ich gebe Ihnen einen Korb, verstehen Sie das denn nicht, Gott im Himmel?! …«
    Allein auch Herr Grünlich erhob sich. Er trat einen Schritt zurück, er breitete die Arme aus, indem er ihr beide Handflächen entgegenhielt, und sprach mit dem Ernst eines Mannes von Ehre und Entschluß:
    »Wissen Sie, Mademoiselle Buddenbrook, daß ich mich nicht in dieser Weise beleidigen lassen darf?«
    »Aber ich beleidige Sie nicht, Herr Grünlich«, sagte Tony, denn sie bereute, so heftig gewesen zu sein. Mein Gott, mußte gerade ihr dies begegnen! Sie hatte sich so eine Werbung nicht vorgestellt. Sie hatte geglaubt, man brauche nur zu sagen: »Ihr Antrag ehrt mich, aber ich kann ihn nicht annehmen«, damit alles erledigt sei …
    »Ihr Antrag ehrt mich«, sagte sie so ruhig sie konnte; »aber ich {120} kann ihn nicht annehmen … So, und ich muß Sie nun … verlassen, entschuldigen Sie, ich habe keine Zeit mehr.«
    Aber Herr Grünlich stand ihr im Wege.
    »Sie weisen mich zurück?« fragte er tonlos …
    »Ja«, sagte Tony; und aus Vorsicht fügte sie hinzu: »Leider« …
    Da atmete Herr Grünlich heftig auf, er machte zwei große Schritte rückwärts, beugte den Oberkörper zur Seite, wies mit dem Zeigefinger auf den Teppich und rief mit fürchterlicher Stimme:
    »Antonie –!«
    So standen sie sich während eines Augenblickes gegenüber; er in aufrichtig erzürnter und gebietender Haltung, Tony blaß, verweint und zitternd, das feuchte Taschentuch am Munde. Endlich wandte er sich ab und durchmaß, die Hände auf dem Rücken, zweimal das Zimmer, als sei er hier zu Hause. Dann blieb er am Fenster stehen und blickte durch die Scheiben in die beginnende Dämmerung.
    Tony schritt langsam und mit einer gewissen Behutsamkeit auf die Glasthür zu; aber sie befand sich erst in der Mitte des Zimmers, als Herr Grünlich aufs neue bei ihr stand.
    »Tony!« sagte er ganz leise, während er sanft ihre Hand erfaßte; und er sank … sank langsam bei ihr zu Boden auf die Kniee. Seine beiden goldgelben Favoris lagen auf ihrer Hand.
    »Tony …« wiederholte er, »sehen Sie mich

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