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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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uns andere herabblicken darf, … die wir mit allen Verdiensten nicht auf seine Höhe gelangen können? …« Morten sprach mit einer naiven und gutherzigen Entrüstung; er versuchte, Handbewegungen zu machen, sah selbst, daß sie ungeschickt waren, und unterließ sie wieder. Aber er redete fort. Er war in Stimmung. Er saß vorgebeugt, einen Daumen zwischen den Knöpfen seiner Joppe, und gab seinen gutmütigen Augen einen trotzigen Ausdruck … »Wir, die Bourgeoisie, der dritte Stand, wie wir bis jetzt genannt worden sind, wir wollen, daß nur noch ein Adel des Verdienstes bestehe, wir {150} erkennen den faulen Adel nicht mehr an, wir leugnen die jetzige Rangordnung der Stände … wir wollen, daß alle Menschen frei und gleich sind, daß niemand einer Person unterworfen ist, sondern alle nur den Gesetzen unterthänig sind! … Es soll keine Privilegien und keine Willkür mehr geben! … Alle sollen gleichberechtigte Kinder des Staates sein, und wie keine Mittlerschaft mehr existiert zwischen dem Laien und dem lieben Gott, so soll auch der Bürger zum Staate in unmittelbarem Verhältnis stehen! … Wir wollen Freiheit der Presse, der Gewerbe, des Handels … Wir wollen, daß alle Menschen ohne Vorrechte miteinander konkurrieren können und daß dem Verdienste seine Krone wird! … Aber wir sind geknechtet, geknebelt … was wollte ich eben sagen? Ja, passen Sie auf: Vor vier Jahren sind die Bundesgesetze über die Universitäten und die Presse erneuert worden – schöne Gesetze! Es darf keine Wahrheit niedergeschrieben oder gelehrt werden, die vielleicht nicht mit der bestehenden Ordnung der Dinge übereinstimmt … Verstehen Sie? Die Wahrheit wird unterdrückt, sie kommt nicht zum Worte … und warum? einem idiotischen, veralteten, hinfälligen Zustand zuliebe, der, wie jedermann weiß, früher oder später ja dennoch abgeschafft werden wird … Ich glaube, Sie begreifen diese Gemeinheit gar nicht! Die Gewalt, die dumme, rohe, augenblickliche Polizistengewalt, ganz ohne Verständnis für das Geistige und Neue … Nein, von Allem abgesehen will ich nur noch Eines sagen … Der König von Preußen hat ein großes Unrecht begangen! Damals, anno dreizehn, als die Franzosen im Lande waren, hat er uns gerufen und uns die Konstitution versprochen … wir sind gekommen, wir haben Deutschland befreit …«
    Tony, die ihn, das Kinn in die Hand gestützt, von der Seite betrachtete, überlegte einen Augenblick ernstlich, ob er selbst wohl wirklich geholfen haben könne, Napoleon zu vertreiben.
    »… aber meinen Sie, daß das Versprechen eingelöst worden {151} ist? Ach nein! – Der jetzige König ist ein Schönredner, ein Träumer, ein Romantiker, wie Sie, Fräulein Tony … Denn Eines müssen Sie beachten: Wenn die Philosophen und Dichter eine Wahrheit, eine Anschauung, ein Prinzip soeben wieder überwunden und abgethan haben, dann kommt allmählich ein König, der nun gerade
dabei
angelangt ist, der nun gerade
dies
für das Neueste und Beste hält und sich danach benehmen zu müssen glaubt … Ja, so ist es mit dem Königtum bestellt! Die Könige sind nicht nur Menschen, sie sind sogar höchst mittelmäßige Menschen, sie sind immer um mehrere Postmeilen zurück … Ach, mit Deutschland ist es gegangen, wie mit einem Burschenschafts-Studenten, der zur Zeit der Freiheitskriege seine mutige und begeisterte Jugend hatte und nun zum kläglichen Philister geworden ist …«
    »Jaja«, sagte Tony. »Alles gut. Aber lassen Sie mich das Eine fragen … Was geht Sie das eigentlich an? Sie sind ja gar kein Preuße …«
    »Ach, das ist alles Eins, Fräulein Buddenbrook! Ja, ich nenne Ihren Familiennamen und zwar mit Absicht … und ich müßte eigentlich noch ›Demoiselle‹ Buddenbrook sagen, damit Ihnen Ihr ganzes Recht wird! Sind bei uns etwa die Menschen freier, gleicher, brüderlicher, als in Preußen? Schranken, Abstand, Aristokratie – hier wie dort! … Sie haben Sympathie für die Adligen … soll ich Ihnen sagen warum? Weil Sie selbst eine Adlige sind! Jaha, haben Sie das noch nicht gewußt? … Ihr Vater ist ein großer Herr, und Sie sind eine Prinzeß. Ein Abgrund trennt Sie von uns Andern, die wir nicht zu Ihrem Kreise von herrschenden Familien gehören. Sie können wohl einmal mit Einem von uns zur Erholung ein bißchen an der See spazieren gehen, aber wenn Sie wieder in Ihren Kreis der Bevorzugten und Auserwählten treten, dann kann man auf den Steinen sitzen …« Seine Stimme war

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