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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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der einen Hand den zierlichen lackierten Schlüsselkorb, die andere leichthin in die Seitentasche ihres dunkelroten Schlafrockes geschoben, ließ sie sich ernsthaft von den langen, weichen Falten umspielen, während doch der naive und unwissende Ausdruck ihres Mundes verriet, daß diese ganze Würde etwas unendlich Kindliches, Harmloses und Spielerisches war.
    Im Pensé-Zimmer bewegte sie sich mit der kleinen messingnen Brause umher, um die schwarze Erde der Blattgewächse zu tränken. Sie liebte ihre Palmen sehr, die so prachtvoll zur Vornehmheit der Wohnung beitrugen. Sie betastete behutsam einen jungen Trieb an einem der dicken, runden Schäfte, prüfte zärtlich die majestätisch entfalteten Fächer und entfernte hie und da eine gelbe Spitze mit der Scheere … Plötzlich horchte sie auf. Die Unterredung im Rauchzimmer, die schon seit mehreren Minuten einen lebhaften Klang angenommen hatte, ward jetzt so laut, daß man hier drinnen jedes Wort verstand, obgleich die Thüre stark und die Portière schwer war.
    »Schreien Sie doch nicht! Mäßigen Sie sich doch, Gott im Himmel!« hörte man Herrn Grünlich rufen, dessen weiche {224} Stimme die Überanstrengung nicht vertragen konnte und sich daher quiekend überschlug … »Nehmen Sie doch noch eine Cigarre!« setzte er dann mit verzweifelter Milde hinzu.
    »Ja, mit dem größesten Vergnügen, danke sehr«, antwortete der Bankier, worauf eine Pause eintrat, während derer Herr Kesselmeyer sich wohl bediente. Hierauf sagte er:
    »Kurz und gut, wollen Sie nun oder wollen Sie nicht, Eins von Beidem!«
    »Kesselmeyer, prolongieren Sie!«
    »Ahah? Na … hein,
nein
, mein Lieber, keineswegs, davon ist überhaupt nicht die Rede …«
    »Warum nicht? Was ficht Sie an? Seien Sie doch verständig um des Himmels Willen! Haben Sie so lange gewartet …«
    »Keinen Tag länger, mein Lieber! Ja, sagen wir 8 Tage, aber keine Stunde länger! Verläßt sich denn noch irgend Jemand auf …«
    »Keinen Namen, Kesselmeyer!«
    »Keinen Namen … schön. Verläßt sich noch irgend Jemand auf Ihren wohllöblichen Herrn Schw …«
    »Keine Bezeichnung …! Allmächtiger Gott, seien Sie doch nicht albern!«
    »Schön, keine Bezeichnung! Verläßt sich noch irgend Jemand auf die bewußte Firma, mit der Ihr Kredit steht und fällt, mein Lieber? Wieviel hat sie verloren bei dem Bankerott in Bremen? Fünfzigtausend? Siebzigtausend? Hunderttausend? Noch mehr? Daß sie engagiert war, ganz ungeheuer engagiert war, das wissen die Spatzen auf den Dächern … Dergleichen ist Stimmungssache. Gestern war … schön, keinen Namen! Gestern war die bewußte Firma gut und schützte Sie unbewußt vollkommen vor Bedrängnis … Heute ist sie flau, und B. Grünlich ist fläuer-am-fläuesten … das ist doch klar? Merken Sie es denn nicht? Sie sind doch der Erste, der solche Schwankungen zu fühlen hat … Wie begegnet man Ihnen denn? Wie sieht man {225} Sie denn an? Bock und Goudstikker sind wohl ungeheuer zuvorkommend und vertrauensvoll? Wie benimmt sich denn die Kreditbank?«
    »Sie prolongiert.«
    »Ahah? Sie lügen ja? Ich weiß ja, daß sie Ihnen schon gestern einen Tritt versetzt hat? Einen höchst, höchst aufmunternden Tritt? … Nun sehen Sie mal! … Aber schämen Sie sich nur nicht. Es liegt natürlich in Ihrem Interesse, mir weiszumachen, daß die Anderen nach wie vor ruhig und sicher sind … Na hein, mein Lieber! Schreiben Sie dem Konsul. Ich warte eine Woche.«
    »Eine Abschlagssumme, Kesselmeyer!«
    »Abschlagssumme her und hin! Abschlagssummen läßt man sich erlegen, um sich vorderhand von Jemandes Zahlungsfähigkeit zu überzeugen! Habe ich das Bedürfnis,
darüber
Experimente anzustellen? Ich weiß doch wundervoll Bescheid, wie es mit
Ihrer
Zahlungsfähigkeit bestellt ist! Ha-ahah … Abschlagssumme finde ich höchst, höchst spaßhaft …«
    »Mäßigen Sie doch Ihre Stimme, Kesselmeyer! Lachen Sie doch nicht fortwährend so gottverflucht! Meine Lage ist so ernst … ja, ich gestehe, sie ist ernst; aber ich habe so und so viele Geschäfte in der Schwebe … Alles kann sich zum Guten wenden. Hören Sie, passen Sie auf: Prolongieren Sie, und ich unterschreibe Ihnen 20 Prozent …«
    »Nichtsda, nichtsda … höchst lächerlich, mein Lieber! Na – hein, ich bin ein Freund des Verkaufs zur rechten Zeit! Sie haben mir 8 Prozent geboten, und ich habe prolongiert. Sie haben mir 12 und 16 Prozent geboten, und ich habe jedes Mal prolongiert. Jetzt könnten Sie mir 40

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