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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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einer Weise, als sei sein Gaumen gefettet. Herrn Grünlichs Blinzeln wurde noch mißtrauischer.
    »Kommen Sie her, Herr Kesselmeyer«, sagte Tony. »Setzen Sie sich hin. Es ist hübsch, daß Sie kommen … Passen Sie mal auf. Sie sollen Schiedsrichter sein. Ich habe eben einen Streit mit Grünlich gehabt … Nun sagen Sie mal: Muß ein dreijähriges Kind ein Kindermädchen haben oder nicht! Nun? …«
    Allein Herr Kesselmeyer schien gar nicht auf sie zu achten. Er hatte Platz genommen, kraute, indem er seinen winzigen Mund so weit wie nur immer möglich öffnete und die Nase in Falten legte, mit einem Zeigefinger seinen geschorenen Bakkenbart, was ein nervös machendes Geräusch ergab, und musterte über das Pincenez hinweg mit unsäglich fröhlicher Miene den eleganten Frühstückstisch, den silbernen Brotkorb, die Etikette der Rotweinflasche …
    »Nämlich«, fuhr Tony fort, »Grünlich behauptet, ich ruiniere ihn!«
    Hier blickte Herr Kesselmeyer sie an … und dann blickte er Herrn Grünlich an … und dann brach er in ein unerhörtes Gelächter aus! »Sie ruinieren ihn …?« rief er. »Sie … ruin … Sie … Sie ruinieren ihn also? … O Gott! Ach Gott! Du liebe Zeit! … Das ist spaßhaft! … Das ist höchst, höchst,
höchst
spaßhaft!« Worauf er sich einer Flut von unterschiedlichen Ahahs überließ.
    Herr Grünlich rückte sichtlich nervös auf seinem Stuhl hin und her. Abwechselnd fuhr er mit seinem langen Zeigefinger zwischen Kragen und Hals und ließ hastig seine goldgelben Favoris durch die Hände gleiten …
    »Kesselmeyer!« sagte er. »Fassen Sie sich doch! Sind Sie von Sinnen? Hören Sie doch auf zu lachen! Wollen Sie Wein haben? Wollen Sie eine Cigarre haben? Worüber lachen Sie eigentlich?«
    »Worüber ich lache? … Ja, geben Sie mir ein Glas Wein, geben {222} Sie mir eine Cigarre … Worüber ich lache? Sie finden also, daß Ihre Frau Gemahlin Sie ruiniert?«
    »Sie ist allzu luxuriös veranlagt«, sagte Herr Grünlich ärgerlich.
    Tony bestritt dies durchaus nicht. Ganz ruhig zurückgelehnt, die Hände im Schoße, auf den Sammetschleifen ihres Schlafrockes, sagte sie mit keck hervorgeschobener Oberlippe:
    »Ja … So bin ich einmal. Das ist klar. Ich habe es von Mama. Alle Krögers haben immer Hang zum Luxus gehabt.«
    Sie würde mit der gleichen Ruhe erklärt haben, daß sie leichtsinnig, jähzornig, rachsüchtig sei. Ihr ausgeprägter Familiensinn entfremdete sie nahezu den Begriffen des freien Willens und der Selbstbestimmung und machte, daß sie mit einem beinahe fatalistischen Gleichmut ihre Eigenschaften feststellte und anerkannte … ohne Unterschied und ohne den Versuch, sie zu korrigieren. Sie war, ohne es selbst zu wissen, der Meinung, daß jede Eigenschaft, gleichviel welcher Art, ein Erbstück, eine Familientradition bedeute und folglich etwas Ehrwürdiges sei, wovor man in jedem Falle Respekt haben müsse.
    Herr Grünlich hatte fertig gefrühstückt, und der Duft der beiden Cigarren vermischte sich mit dem warmen Ofendunst.
    »Haben Sie Luft, Kesselmeyer?« fragte der Hausherr … »Nehmen Sie eine andere. Ich schenke Ihnen noch ein Glas Rotwein ein … Sie wollen also mit mir reden? Ist es eilig? Von Belang? … Finden Sie es vielleicht zu warm hier? … Wir fahren nachher zusammen zur Stadt … Im Rauchzimmer ist es übrigens kühler …« Aber zu allen diesen Bemühungen schüttelte Herr Kesselmeyer lediglich eine Hand in der Luft, als wollte er sagen: Das führt zu nichts, mein Lieber!
    Endlich erhob man sich, und während Tony im Speisezimmer verblieb, um das Folgmädchen beim Abdecken zu überwachen, führte Herr Grünlich seinen Geschäftsfreund durch {223} das Pensé-Zimmer. Indem er die Spitze seines linken Backenbartes nachdenklich zwischen den Fingern drehte, schritt er geneigten Hauptes voran; mit den Armen rudernd verschwand Herr Kesselmeyer hinter ihm im Rauchzimmer.
    Zehn Minuten verstrichen. Tony hatte sich auf einen Augenblick in den Salon begeben, um persönlich mit einem bunten Federbüschel über die glänzende Nußholzplatte des winzigen Sekretärs und die geschweiften Beine des Tisches zu fahren, und ging nun langsam durch das Eßzimmer ins Wohngemach hinüber. Sie schritt ruhig und mit unverkennbarer Würde. Demoiselle Buddenbrook hatte als Madame Grünlich ersichtlich an Selbstbewußtsein nichts eingebüßt. Sie hielt sich überaus aufrecht, drückte das Kinn ein wenig auf die Brust und betrachtete die Dinge von oben herab. In

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