Bullenball
das Angebot, aber da war auch die
Angst, vor allen blamiert zu werden.
»Ich pass da nicht hin.«
»Ach was! Natürlich passt du da hin.« Jule legte den Arm um sie.
»Bleib einfach bei mir. Die anderen tun dir schon nichts, die sind ganz nett.
Wir machen uns einen schönen Abend. Komm doch mit, bitte. Ich würde mich
wirklich freuen.«
Da konnte sie nicht Nein sagen. Das war unmöglich.
»Also gut. Ich komme gleich. Ich warte nur auf meinen Vater, damit
er weiß, wo ich bin. Ich komme dann nach, ich finde dich bestimmt.«
Jule schenkte ihr ein warmes Lächeln. »Kein Problem. Mach dir keine
Sorgen. Wir werden einfach ein bisschen Spaß haben.«
Dann stand sie auf, setzte sich den Hühnerkopf auf und verschwand im
Blauen Saal. Adelheid war völlig durcheinander. Sie atmete tief durch.
Vielleicht würde dieser Abend ja doch noch schön werden.
Plötzlich stockte sie. Eine dunkle Gestalt ging an ihrem Tisch
vorbei. Groß und ganz in Schwarz gekleidet. Ein starkes Gefühl nahm von ihr
Besitz. Eine Ahnung, die beinahe Gewissheit war. Sie zweifelte nicht an ihrer
Intuition, im Gegenteil. Sie richtete sich auf. Ihre Stimme war klar und
deutlich, als sie ihm hinterherrief: »Du mein König.«
Der schwarz gekleidete Mann blieb stehen. Er wandte sich zu ihr um.
Es war Marlon. Von dem kleinen Hof am anderen Ende von Brook. Er war in der
Schule ein paar Jahrgänge über ihr gewesen. Doch irgendwie sah er anders aus
als sonst. Er wirkte weggetreten. Ein dunkler Schatten lag über seinem Gesicht.
Er bewegte sich wie ein Roboter.
Es schien, als brauchte er eine Weile, um in die Realität
zurückzukehren.
»Schneeprinzessin.«
Dann fast so etwas wie ein Lächeln. Als wollte er sagen: Du bist
das. Denn natürlich kannte auch er Adelheid. Aber vielleicht bildete sie sich
diese Reaktion auch nur ein, denn der leicht weggetretene Ausdruck in seinem Gesicht
blieb. Etwas steif stand er vor ihr.
»Geh weg von hier«, sagte er. »Du hast das nicht verdient.«
»Was meinst du? Was habe ich nicht verdient?«
»Geh weg von hier, Adelheid. Schnell.«
Dann wandte er sich ab und ging einfach weiter. Wie ferngesteuert
marschierte er auf den Blauen Saal zu. Das DJ -Pult war von
Weitem bereits zu sehen, Günter Ehlers stand über dem Geschehen und nahm das
Mikrofon.
»Herzlich willkommen, meine Damen und Herren«, kam es über die
Lautsprecher. »Ich freue mich, Sie zu Günters Schlagerparade begrüßen zu
dürfen. Der heutige Abend ist voller Überraschungen, so viel darf ich schon
verraten.«
Er sprach weiter, doch Adelheid hörte gar nicht zu. Sie starrte auf
die Silhouette von Marlon, die sich zwischen die Menschen drängte, die am
Eingang standen. Es sah aus, als wäre er nachträglich ins Bild retuschiert
worden, als gehörte er gar nicht dorthin.
Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Sie ahnte bereits, was passieren
würde. Wollte es aber nicht wahrhaben. Marlon war der König von Brook. Jetzt,
wo sie ihre wahre Identität kannten, musste das alles doch nicht mehr
passieren. Sie könnten miteinander glücklich werden. Sich gegenseitig all die
Liebe geben, die ihnen verwehrt worden war. Er durfte das nicht tun. Das durfte
nicht passieren.
Doch dann sah sie Marlon bereits den Mantel zur Seite schieben. Er
zog die Waffen.
20
Der Blaue Saal war voller Menschen. Ben sah Jonas und
seine Freunde in der Nähe des DJ -Pults. Einer von ihnen war zu
Günter Ehlers vor das Pult geklettert und redete dort mit ihm. Auch Jule hatte
er entdeckt, was bei ihrem Kostüm auch nicht schwer war. Sie kam gerade aus dem
Vorraum und ging auf ihre Freundinnen von der Jazzband zu. Obwohl Männer- und
Frauengruppe getrennt bleiben sollten, begannen sie sich nun doch zu
vermischen. Was mit einer Menge Gekicher vonstattenging.
Aber wo steckte Uli? Er drängte sich an der Fläche entlang, auf der
ein schwungvoller Discofox getanzt wurde. Er umrundete die Paare, so gut es
ging, und hielt weiter Ausschau.
Da, jetzt hatte er Uli entdeckt. Sie stand ein bisschen verborgen an
der Rückseite des DJ -Pults und wirkte gar nicht so fröhlich wie
die anderen, eher nachdenklich. Ob ihr Streit der Grund dafür war?
Es war gut, sich mit Uli zu versöhnen. Er machte das Richtige, auch
wenn seine Pläne dadurch auffliegen würden. Darauf kam es jetzt nicht mehr an.
Er winkte ihr zu, rief ihren Namen. Aber sie bemerkte ihn nicht.
Günter Ehlers nahm das Mikrofon und begrüßte die Gäste. Auf der
Tanzfläche blieben die Paare stehen, applaudierten und sahen zu ihm
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