Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)
Sie zieht nochmal, muss nochmal husten. »Ob mein Mann damit was zu tun hat, weiß ich nicht, aber …«
»Wer ist dein Mann?«, frage ich.
»Mein Mann ist Unternehmer«, sagt sie, »Immobilien. Aber er macht auch eine Menge anderer Geschäfte. Sein Name ist Malaj. Gjergj Malaj.«
Ich bin dermaßen vom Blitz getroffen, dass ich nichts sagen kann. Oh ja, denke ich, dein Mann macht eine ganze Menge anderer Geschäfte. Und wir nennen ihn nicht Gjergj. Wir nennen ihn: den Albaner.
Ich bin mir nicht sicher, ob Naima wirklich weiß, was sie hier gerade tut.
»Du weißt, was du hier gerade tust?«, frage ich.
Sie nickt.
»Ja«, sagt sie, »ich weiß, dass es nicht besonders klug ist. Aber ich kann und will das nicht mehr mit ansehen. Und er hört einfach nicht auf damit. Weißt du, ich trage hier ein Kind.« Sie legt die Hand auf ihren Bauch. »Ich möchte nicht, dass der Vater dieses Kindes miese Dinge tut.«
Ich nehme ihr die Zigarette aus der Hand und schmeiße sie in die Elbe.
»Sagt dir der Name Schubert was?«, frage ich.
Sie schüttelt den Kopf.
»Oenninger?«, frage ich.
Sie nickt.
»Ja, Oenninger, das ist einer aus der Baubehörde. Mit dem macht Gjergj Geschäfte.«
»Was für Geschäfte?«, frage ich.
»Weiß ich nicht genau«, sagt sie. »Aber es geht fast immer um die Hafencity. Es geht um Bauaufträge, Immobilien, Wohnanlagen. Oenninger kümmert sich darum, dass Gjergj die Aufträge kriegt. Gjergj sagte mal, dass Oenninger ein Freund sei. Aber das stimmt nicht, die sind keine Freunde.«
»Warum tut Oenninger das dann?«, frage ich. »Bezahlt dein Mann ihn dafür?«
»Nein«, sagt sie und lacht kurz auf. »Gjergj bezahlt für so was nicht. Er tut den Leuten irgendwann einmal einen großen Gefallen. Und bringt sie so dazu, ihm dann auch einen Gefallen zu tun. Oder mehrere.«
»Welchen Gefallen hat er Oenninger getan?«, frage ich.
Naima schlägt ihren Mantelkragen hoch und steckt die Hände in die Taschen.
»Dieser Oenninger«, sagt sie, »der mag junge Mädchen. Sehr junge Mädchen.«
Ach, nee.
»Und Gjergj weiß, wie und wo man an solche Mädchen rankommt, ohne dabei erwischt zu werden.« Sie schlägt die Hände vors Gesicht. »Ich schäme mich dafür, dass er das weiß.«
Ich strecke meine Hand aus und streiche ihr übers Haar. Der weiß noch ganz andere Dinge. Der weiß Dinge, vor denen du und ich Angst haben.
»Woher kennen sich die beiden?«, frage ich.
»Über … ich weiß nicht … einen Geschäftspartner von Gjergj.«
»Henning Sackmann?«, frage ich.
»Weiß nicht.« Sie schüttelt den Kopf. Sie sieht müde aus. Als würde sie gleich im Sand verschwinden, einfach zerkrümeln. »Ich weiß nicht, wie der Mann heißt. Ich weiß nur, dass er verrückt nach Autos ist. Er will sie zeigen, wie ein kleiner Junge. Er schickt sie Gjergj, wenn er irgendwo hinfahren will. Er schickt sogar einen Chauffeur mit. Dann telefonieren sie immer kurz und lachen, als wären sie die Größten. Ich hasse das.«
Sie sieht nach unten, betrachtet ihre Füße im Sand.
Das hätte ich nicht gedacht. Dass die Antwort auf die Frage, warum Sackmanns Autos am Tatort standen, so banal ist: kleine Spiele von großen Jungs. Sandkastenschwanzvergleiche. Größenwahn an der Carrerabahn.
»Was ist mit den beiden toten Polizisten?«, frage ich. »Warum hast du die vorhin erwähnt?«
»Gjergj hat mir geschworen, dass er nichts damit zu tun hat«, sagt sie. »Aber ich weiß, dass er an dem Morgen im Jenischpark war, um sich mit jemandem zu treffen. Er hatte den Kleinen Donner mitgenommen, als Alibihund.« Ihre Stimme hört sich plötzlich gar nicht mehr samtig an. Sie hört sich an wie ein Haufen Blech.
»Mit wem hat er sich da getroffen?«, frage ich.
Sie zuckt mit den Schultern. Sie kann nicht mehr, das sehe ich ihr an. Sie hat mir mehr erzählt, als gut für sie ist.
»Ich muss dich das jetzt fragen«, sage ich, »bist du bereit, eine offizielle Aussage zu machen?«
Sie sieht mich an. Ihr Blick steht auf tönernen Füßen. Gleich bricht er zusammen.
»Ich habe Angst«, flüstert sie.
Ich weiß. Hätte ich auch.
Und dann schiebt sie noch hinterher, dass sie ihn liebt. Aber das glaubt sie sich selbst nicht mehr.
Bevor sie geht, gebe ich ihr meine Telefonnummer.
Ich bin vielleicht die mit den Schnitten im Gesicht, aber sie hat sie tief in ihrer Seele sitzen.
* * *
Später, als ich in der Staatsanwaltschaft ankomme, wird auf den Gängen eine Menge getuschelt. Und Schuberts Büro ist leer, keiner da.
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