Bullet Boys
hatte gesehen, wie sich Soldaten, gebeugt vonschwerem Gepäck, durch Schneestürme kämpften, bei denen Schafe eingeschneit worden waren und von Alex hatten befreit werden müssen. Vor einigen Wintern waren zwei Soldaten zu Tode gekommen. Einen jungen Soldaten hatte es bei einer zweiundsiebzigstündigen Übung erwischt. Er hatte sich bei Minustemperaturen in gefrierendem Nebel verlaufen und war an Unterkühlung gestorben. Nur wenige Wochen zuvor war ein Obergefreiter während seiner vierundzwanzigstündigen Wache von einem Baum heruntergefallen und hatte sich das Genick gebrochen.
Auch heute kannte Hauptfeldwebel Furzey offensichtlich keine Gnade. Es dauerte eine ganze Stunde, bevor der erste durchnässte Soldat aus dem Rohr in die brütende Moorhitze taumelte. Er ließ sich ins Heidekraut fallen und rieb sich den Schlamm aus den Augen. Etwa eine Minute später erschienen keuchend und hustend der zweite und dann der dritte Soldat. Beide halfen dem vierten Mann aus der Öffnung des Rohres. Er blinzelte ins Licht und erbrach sich auf seine Stiefel.
Alex wartete. Minuten vergingen. Er sah, wie einer der Männer in die Röhre brüllte. Alex konnte ihn bis hinauf auf den Hügel hören.
»BAZ.«
Und dann war Furzey in seinem Jeep da. Eine Tür knallte, ein Funk-Gerät knatterte, doch nach wie vor kein fünfter Soldat. Alex blickte auf das gelbbraune Gras und das dunkle Schilf im Tal. Irgendwo darunter, nicht weit von der Oberfläche, kämpfte sich ein Mensch zum Ausgang vor. Alex wurde unruhig. Das Rohr hatte einen Durchmesser von etwas über einem Meter und das Wasser stand oft mehr als einen halben Meter hoch.
Dann endlich, eine Viertelstunde nach seinen Kameraden, tauchte der fünfte Soldat auf, rot wie ein Teufel. Er fiel mit dem Gesicht in den Morast, das weißblonde Haar klebte ihm am Kopf, er hustete und kotzte. Alex sah, wie einer der Soldaten ihn stützte, ihm einen Schluck aus seiner Feldflasche gab und ihm auf den Rücken klopfte, sobald er wieder hustete.
Minuten später hatte Furzey sie wieder losgeschickt und alle fünf stapften weiter über die Schafswege ihrer Trainingsstrecke.
Manchmal stellte sich Alex vor, wie es wohl sein mochte, Soldat zu sein. Er war nur ein oder zwei Jahre jünger als manche der Soldaten. Er trug ähnliche Sachen, grünbraune Tarnkleidung. Bei der Arbeit hatte er ein Gewehr dabei. Seine Haare waren immer sehr kurz geschnitten. Er interessierte sich für Schusstechniken und geschicktes Pirschen. Aber damit hatte es sich mit den Ähnlichkeiten. Der wesentliche Unterschied war: Jene Männer wurden ausgebildet, andere zu töten. Klar, einige Soldaten waren als Ingenieure oder Logistik-Experten tätig, andere als Kommunikationsspezialisten oder Mechaniker. Aber das änderte nichts daran, dass Gewalt und Blutvergießen zu ihrer Arbeit gehörten.
Inzwischen waren die Soldaten im Dickicht des Farns verschwunden. Die Luft flirrte vor Hitze.
Alex ging um den Hügel, wich vorsichtig morastigen Stellen aus, schlängelte sich durch langes Gras und wand sich um Steine herum. Im Vorbeigehen pflückte er Heidelbeeren, zerdrückte sie im Mund und genoss den süßen Geschmack. Als die Moorlandschaft in verlassene Felder mit Mauern aus großen grauen Steinen überging, hörte Alexüber sich ein heiseres Krächzen. Drei schwarze Krähen jagten einen Bussard. Sie würden ihn töten, wenn sie ihn zu fassen bekämen. Krähen waren brutal. Sie griffen Lämmer an und töteten junge Fasane. Sie stahlen den Fasanen riesige Mengen von ihrem Futter und sie vermehrten sich wie verrückt. Tim sagte, er habe noch nie so viele Krähen gesehen wie in diesem Jahr; sie waren mittlerweile so zahlreich, dass sogar das abendliche Vogelgezwitscher rings um ihre Kate nachgelassen hatte. Alex hatte beobachtet, wie ein Krähenpaar ein Nest überfiel und mit den geraubten Jungvögeln die eigene Brut fütterte. Er hatte gesehen, wie Krähen, bevor die Gehege mit Netzen geschützt wurden, Küken stahlen und wie die kleinen Flaumknäuel in der Luft gequiekt hatten. Alex prüfte, ob sein Gewehr geladen war, legte an, zielte auf den ihm nächsten Vogel und drückte ab. Der Gewehrkolben schlug gegen seine Schulter, und als Alex die Krähe fallen sah, spürte er einen Kick. Sauberer Treffer. Er wünschte, Tim hätte ihn sehen können. Die anderen Vögel stoben auseinander und Alex lief den Hügel hinab, um das tote Tier zu bergen.
Die Krähe war zwischen die großen Bäume gefallen, die den Fluss säumten. Das war Golden
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