Bullet Boys
sein.«
»Aber wer kommt denn hierher, Saul?«, fragte Riley.
»Wanderer, Bauern, Kinder«, meinte Saul. Er tippte mit dem Fuß an den toten Vogel. »Wenn wir ihn finden, bevor er das Gewehr abgibt, sind wir aus dem Schneider. Sucht Fußspuren, aufgewühlte Erde, zerbrochene Zweige.« Er deutete auf den Stein. »Wir fangen hier an. Wir haben noch dreißig Minuten, bevor wir zurück sein müssen.«
»Aber was ist mit den anderen? Mit der Übung?« fragte Riley und rieb sich den blanken Schädel.
»Wir stecken sowieso schon in der Scheiße«, sagte Saul. »Jetzt geht’s um Schadensbegrenzung.«
Er nahm ein Fernglas zur Hand und suchte die umliegenden Hügel ab.
Die anderen beiden schwärmten aus, mit leisen Schritten, die Augen auf den Boden gerichtet. Baz hatte immer noch Probleme mit dem Atmen, aber die neue Angst schien ihn wiederzubeleben.
Riley blieb am Stamm der großen toten Buche stehen. Mit der Spitze seines Gewehres schob er den Efeu auseinander.
»Hier ist was«, sagte er. Er hob ein Stückchen trockenen Schlamm auf, das aussah wie ein Stück Waffel. Ein Abdruck von Alex’ Stiefel.
Die anderen kamen herangewatet.
»Der ist noch nicht weit«, sagte Saul.
Alex stand zum Greifen nah in einem hohlen Baum versteckt, presste die Arme an den Körper und atmete so flach und leise, dass er fürchtete, ohnmächtig zu werden. Rings um ihn war weiches, bröseliges, vergammelndes Holz, nur links von seinem Gesicht befand sich ein winziges Guckloch. Wie schnell hatte dieser Tag eine völlig unerwartete Wendung genommen. Alex konnte den Fluss sehen und nun auch die Spitze von Sauls Gewehr. Als die Soldaten den Hügel runtergeschlichen kamen, hatte er nicht viel Zeit zum Nachdenken gehabt, sein Gefühl hatte ihm gesagt, er müsse sich verstecken. Diesen Baum kannte Alex schon seit Ewigkeiten. Er hatte ihn als kleiner Junge entdeckt, als er mit Gaffer Eichhörnchen gejagt hatte. Er war in den toten Baum hineingekrochen und hatte sich aufgerichtet. Wenn er den Kopf in den Nacken legte, konnte er den Himmel sehen. Als stünde er in einem Schornstein.
Jetzt kamen ihm Zweifel, ob es richtig gewesen war, sich in dem Baum zu verstecken. Wenn ihm hier drinnen irgendwas zustieß, würde ihn niemand je finden. Zum Glück hatte Tim heute Gaffer mitgenommen. Mit Hund konnte man nicht verborgen bleiben.
»Hallo?« Saul rief so laut, dass Alex die Luft durch das tote Holz schwingen spürte. »Wir wollen bloß das Gewehr zurück. Weiter nichts.«
Alex glaubte ihm nicht.
Dann hörte er Saul fluchen. »Guckt mal, hier.« Alex erhaschte einen kurzen Blick auf Sauls Schulter und Arm, als der nach oben griff und das Gewehr vom Ast nahm. Alexhatte es nicht am Ufer liegen lassen wollen. Jetzt wünschte er, er hätte es getan.
Er spürte die Vibrationen der Schritte, das erleichterte Aufatmen.
»Wie kommt das hierher?«, rief Baz.
Saul trat vom Baum zurück, sodass Alex Riley deutlich sehen konnte.
»Du machst mich wahnsinnig«, sagte Riley.
»Ich komm doch gar nicht so hoch«, sagte Baz, ohne auf seinen Bruder einzugehen. Er nahm die Waffe in die Hand und überprüfte sie. »Gott sei Dank.«
Alex spürte, dass er husten musste. In seiner Kehle kratzte und brannte es, was durch den Staub und die knappe Luft noch verstärkt wurde. Alex schnürte es die Kehle zu, gleich würde er explodieren.
»Scheiß drauf, los, gehen wir«, sagte Saul. »Wenn wir jetzt aufbrechen, lässt uns der Spieß das vielleicht durchgehen.«
»Du meinst, du willst nicht per Funk durchgeben, was passiert ist?«, fragte Baz mit versagender Stimme.
»Los jetzt«, sagte Saul.
Der Husten wollte raus, er kribbelte in Alex’ Kehle. Ihm tränten die Augen. Eilig hob er die Hand und stopfte sich die Faust in den Mund. Doch er konnte nicht verhindern, dass ihm ein leises Ächzen entfuhr.
Baz hörte ihn. »Was war das?«
Die anderen blickten ihn an.
»Komm schon«, fauchte Riley.
»Das kam von da drüben«, sagte Baz und ging zum Baum zurück. Er legte die Hände an den Stamm und schaute hoch zu den Blättern.
»Ist doch scheißegal, wir haben die Waffe und gut ist«, sagte Riley und stieg hinter Saul aus dem Flussbett auf das Gras dahinter.
Baz entdeckte das Loch und kam zu Alex’ Schrecken mit einem Auge ganz nah heran. Alex verspürte ein tiefes, lähmendes Entsetzen, als Baz sein Auge aufriss.
Die beiden starrten sich an. Die Zeit schien stillzustehen.
»Beweg dich, Soldat!«, tönte eine Stimme aus weiter Ferne.
» Du bist tot! «, formte
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