0415 - Der böse Plan
Professor Zamorra und seine Lebensgefährtin und Sekretärin Nicole Duval hatten es sich im Pub in Bridport an der Theke gemütlich gemacht.
Neben ihnen saß der alte Raul Onstray, überzeugter Dauergast, auf seinem Barhocker und hatte eine Lederschnur um seinen Gürtel und den Handlauf des Tresens geschlungen und sich damit nachhaltig selbst befestigt.
»Wollen Sie damit verhindern, daß Ihre Frau Sie nach Hause entführt?« hatte Professor Zamorra sich stirnrunzelnd erkundigt.
»Frau? Hab’ ich nicht. Deswegen sitze ich ja hier. Aber so kann ich wenigstens nicht betrunken vom Stuhl kippen, bevor ich mein Quantum drin habe«, behauptete der Alte.
Vorher hatten Zamorra und Nicole geknobelt. Nicole hatte verloren und mußte sich mit alkoholfreien Getränken begnügen, während Zamorra das Geheimnis der Biergläser zu ergründen bemüht war. Dafür durfte Nicole nachher auch fahren.
Es waren ihre letzten Stunden im kühlen Südengland. Mit der Frühmaschine wollten sie vom Londoner Heathrow-Airport nach Lyon in Frankreich starten. Vorher bestand Zamorra noch auf einem Abschiedstrunk.
Selten genug waren sie hier.
Beaminster Cottage, das zweistöckige Landhaus in der Grafschaft Dorset, war ihr Ausweichdomizil. Wenn sie auf den britischen Inseln zu tun hatten, richteten sie sich meist hier ihre Basis ein. Ansonsten war das Château Montagne im Loire-Tal ihre Heimat. Sofern sie nicht gerade irgendwo in der Welt oder in anderen Dimensionen zu tun hatten.
Ausgerechnet in unmittelbarer Nähe des Cottage hatte vor ein paar Tagen das Böse zugeschlagen. Ein dämonischer Geist hatte Horrorbilder zu unheiligem Leben erweckt, die ein junger Mann für Video-Produktionen und Buchumschlägen malte, und die Figuren aus diesen Horror-Bildern hatten gemordet. Zamorra konnte dem dämonischen Geist das Handwerk legen und ihn beseitigen.
Den Earl of Pembroke hatten sie anschließend auch wieder mal besucht, diesen schrulligen Adligen, der sein Schloß zum Asyl für heimatvertriebene Gespenster gemacht hatte, was durchaus ernster zu nehmen war, als es zunächst klang.
Aber jetzt war ihr Aufenthalt in Dorset beendet. Nicole, die anfangs froh gewesen war, in britischer Inselkühle der Gluthitze, die über Frankreich lag, zu entfliehen, sehnte sich jetzt in wärmere Gefilde Zurück, wo man auch mal ohne Mantel herumlaufen konnte, ohne gleich Schüttelfrost zu bekommen.
Zamorra wärmte sich zwischen dem dritten und dem vierten Bier gerade mit einem Schnäpschen auf, das Wirt Jonah vor ihm auf den Tresen gestellt hatte, als Raul Onstray den Kopf zur Tür wandte.
»Ho!« hörten die anderen ihn laut sagen. »Besuch kommt!«
In einem Pub war das nicht ungewöhnlich.
Ungewöhnlich schon der schwarze Vauxhall Royale, der durch die offene Tür draußen zu sehen war.
Er parkte direkt neben Zamorras 12-Zylinder-Jaguar im Laternenschein.
Die große Limousine paßte nicht hierher, wo sich dem Lebensstandard der Einheimischen entsprechend gerade mal ein paar angerostete, betagte Kleinwagen verirrten.
Auffälliger als der Vauxhall Royale aber waren die beiden Männer, die ausstiegen. Sie bewegten sich fast völlig synchron, als hätten sie ihren Auftritt einstudiert. Gleichzeitig flogen die Wagentüren auf, gleichzeitig stiegen die Männer aus, und dann wartete der Fahrer, bis der andere Mann um den Wagen herum zu ihm aufgeschlossen hatte, um dann gemeinsam mit ihm im Gleichschritt den Pub zu betreten.
Beide trugen schwarze Anzüge, schwarze Krawatten zum blütenweißen Hemd und schwarze Handschuhe. Ihre Gesichter unter den schwarzen Hüten waren blaß. Die Augen wurden von Sonnenbrillen geschützt, was angesichts der draußen herrschenden Abenddämmerung eine Farce war.
»Das gilt uns!« zischte Zamorra.
Von einem Moment zum anderen war er wieder stocknüchtern geworden.
Er opferte das noch nicht angetrunkene vierte Bier und schleuderte das volle Glas den beiden Fremden entgegen.
Einen traf er voll.
Der Mann in Schwarz wankte nicht. Er verdaute den Treffer wie ein sanftes Streicheln, während Zamorra mit einem schnellen Spurng seitwärts verschwinden wollte. Die Hintertür war sein Ziel.
Nicole flankte trotz der Bauhöhe mit einem Satz über den Tresen und kam federnd dahinter auf. Sie duckte sich und zog Jonah mit sich nach unten. Onstray, der sich selbst an den Handlauf gefesselt hatte, zappelte und wollte wissen, was denn nun los ist. Er selbst blieb fest an die Theke gebunden, weil er den komplizierten Knoten nicht so schnell
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