Burning Wings (Das Erwachen) (German Edition)
keine Superkräfte, um den Stein zu Staub zu zermalmen. Dennoch konnte ich nicht aufhören. Ich wollte hier raus. Dabei versuchte ich, einen klaren Kopf zu behalten und nicht wieder in Panik zu geraten. Was bei meiner letzten Panikattacke passiert war, hatte ich noch gut in Erinnerung. Diesen Schmerz würde ich so schnell nicht wieder vergessen. Fast meinte ich, wieder dieses unsägliche Feuer spüren zu können. Es kroch aus dem hintersten Winkel meines Unterbewusstseins. Aus einem Impuls heraus bereitete ich mich darauf vor, aber diesmal blieb er aus. Umso erstaunter starrte ich an die gegenüberliegende Wand. Dort, gut sichtbar, erschien eine Eisentür, die mit Schwung aufgestoßen wurde.
Ich war sofort auf der Hut. Meine Muskeln spannten sich an. Ich war bereit, jeden, der über die Türschwelle treten würde, zu überwältigen. Dass ich keine Waffe besaß, war unwichtig. Ich war von einer Sekunde zur nächsten so wütend, dass ich mit den bloßen Fäusten zuschlagen wollte.
Die Hände geballt, sodass schon meine Fingerknöchel weiß hervorstachen, wartete ich, bis die quietschende Tür mir den Blick freigab. Doch es kam zu keinem Angriff.
Ich hatte mit allem Möglichen gerechnet. Mit einem muskelbepackten Soldaten und geladener Maschinenpistole, mit einem Polizisten mit Schlagstock und Handschellen, mit einem Wahnsinnigen, der mit einer Axt auf mich zustürmen würde, und sogar mit einem vermummten Terroristen, der mich in einer fremden Sprache anschrie, bevor er auf mich einprügelte. Aber was ich sah, stellte meine wildesten Phantasien in den Schatten. Meine Wut verrauchte und wurde durch eine mächtige Portion Verwirrung ersetzt.
An der Türschwelle stand ein junger Mann. Er trug eine schwarze Hose und ein schwarzes Hemd, das nicht ganz bis zum Hals zugeknüpft war. Darunter lugte leicht gebräunte Haut hervor. Irritiert musterte ich ihn von Kopf bis Fuß. Der Mann hatte keine Schuhe, was bei dem Anblick, den er bot, ein wenig seltsam anmutete. Denn über seiner Kleidung trug er zusätzlich eine dunkelblaue Samtrobe mit silberner Brokatstickerei an den Säumen. Er war schlank, dennoch zeichneten sich ausgeprägte Muskelpartien unter seiner Kleidung ab. Doch das alles rückte in den Hintergrund, denn so etwas hatte ich in meinem bisherigen Leben noch nie gesehen.
Schulterlanges, helles Haar umrahmte ein junges, zartes Gesicht. Seine smaragdfarbenen Augen glitzerten im Fackellicht, während er mich mit unverhohlener Neugier anstarrte. Er stand einfach da, ohne Waffe, ohne Handschellen, ohne irgendetwas in den Händen zu halten. Und dieser Mann war atemberaubend schön. Die schlichte Kleidung unterstrich seine von Natur aus gegebene Schönheit nur noch. Und er trug ein Tattoo. Eine sich windende, schwarze Schlange, umgeben von Flammen, schlängelte sich seinen Hals herauf. Ich konnte nur erahnen, dass das Motiv unter seinem Hemd noch weit größere Ausmaße annahm. Sein Anblick raubte mir schier die Sprache. Obwohl ich kein sexuelles Verlagen nach dem männlichen Geschlecht hegte, wäre dieser Mann eine Sünde wert gewesen. Nicht einmal das attraktivste Männermodel in den Hochglanzmagazinen reichte an seine unbeschreibliche Anmut heran. Einfach und doch außergewöhnlich.
Überrascht über mich selbst machte ich einen zögerlichen Schritt auf ihn zu.
»Ich begrüße dich, Damian«, sprach er und lächelte. Sein Lächeln und auch sein sanfter Tonfall waren freundlich und aufrichtig. Alles an ihm erweckte den Anschein, perfekt zu sein.
Nun war das Überraschungsmoment vergangen. Obgleich mein Gegenüber keine Gefahr ausstrahlte, kehrte mein angestauter Ärger mit geballter Ladung zurück.
»Wer oder was ist Damian?«
„Dein Name lautet Damian«, sagte er immer noch lächelnd.
»Ah … schön zu wissen«, antwortete ich, und meine nächsten Worte trieften vor purem Sarkasmus. »Schön zu wissen, wie man heißt, wenn man schon nicht weiß, wo man gefangen gehalten wird. Vielleicht hättest du die Güte, mich aufzuklären. Denn es ist ja unglaublich spaßig, aufzuwachen und nicht zu wissen, wer man ist. Und wer kam auf die glorreiche Idee, mich wie ein Feuerz eug anzuzünden? Das war nicht witzig! Und wieso stehe ich jetzt in diesem Raum …«
Mitten im Satz brach ich ab. Schlagartig wurde mir bewusst, dass ich überhaupt keine Kleidung trug. Ich stand diesem perfekten Mann gegenüber und war nackt. Augenblicklich schoss mir die Röte ins Gesicht, und am liebsten hätte ich mich in Grund und Boden
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