Butenschön
ist?«
Fatty und ich sahen uns an. Natürlich war Marc selbstverliebt, und zwar mehr als nur ein klein wenig. Aber warum sollten wir das zugeben?
»Wo ist er eigentlich, Ihr Ghostwriter? Hatte er Lampenfieber vor seiner Premierenlesung?«
»In Ägypten«, antwortete ich. »Urlaub, lange geplant. Er bedauert es sehr, nicht hier sein zu können. Fast hätte er den Flug verschoben.«
»Mich würde eines interessieren«, meldete sich Eva. »Musstet ihr den realen Fall sehr abändern, um ihn buchtauglich zu machen? Die Namen der Beteiligten werdet ihr ja kaum übernommen haben.«
»Sicher mussten wir ändern, ziemlich viel sogar. Namen, Adressen, teilweise das Aussehen der Leute. Du kommst sonst in Teufels Küche. Aber an der Grundstruktur der Geschichte wurde nicht gerüttelt, da waren wir uns von Anfang an einig.«
Fatty setzte sein Bier ab, um mich streng und wortlos von der Seite zu mustern.
»Was schaust du denn so?«
»In eurem Buch«, schüttelte er den Kopf, »stimmt im Grunde gar nichts. Wenn ich mir überlege, wie ich dort beschrieben werde! Nichts gegen ein paar deftige Übertreibungen, aber …«
»Über- oder Untertreibungen?«
»Hör auf, Max! Wer das liest, denkt doch, ich wäre ein minderbemittelter Fettklops, der es bloß bis zum Kindergärtner geschafft hat.«
»Und was bist du in Wahrheit?«, fragte Eva, mit den Augen klimpernd.
Fatty funkelte sie wütend an. Seinen Unmut bekam das Weizenbier zu spüren, das vor ihm stand. »Noch eins!«, rief er der Bedienung zu.
»Da ist was dran«, nickte die Buchhändlerin. »An den Übertreibungen, meine ich. Wenn er die weglässt, Ihr Freund Couplet, wird das Buch auch gleich schlanker. Dadurch gewinnt es, glauben Sie mir.«
Jetzt schaute Fatty noch finsterer drein. »Seit wann gewinnen Dinge, nur weil sie schlanker sind?«
Die Frau setzte zu einer Entgegnung an, als ihr Blick auf den mächtigen Bauch meines Freundes fiel. Vielleicht war Schweigen in diesem Moment doch die bessere Wahl. Sie verbarg ihre Verlegenheit hinter einem kleinen Hüsteln und lächelte säuerlich.
»Um auf deinen neuen Fall zurückzukommen«, ergriff Christine das Wort. »Spektakulär klingt er ja nicht gerade. Oder?«
»Es ist noch nicht mein Fall. Aber wenn ich ihn übernehme, dann gerade weil er so unspektakulär ist. Ein Brandanschlag, dilettantisch und nicht gerade effektiv: genau das Richtige für mich. Motiv unklar, Aufklärungswahrscheinlichkeit gering. Man hört sich ein bisschen um, erstattet Bericht, irgendwann tritt man auf der Stelle und beendet den Auftrag in beiderseitigem Einvernehmen.«
»Die Geschädigte ist Historikerin, sagtest du?«
»Medizinhistorikerin. Frag mich nicht, was die dort machen in ihrem Institut. Sie schreibt über einen gewissen Buten … oh, Mann, schon vergessen, wie der Kerl heißt.«
»Butenberg?«
»Butterberg? Nein, Butensch … Butenschön, genau.«
»Der Mediziner?« Meine Buchhändlerin zog die Brauen nach oben.
»Der Genforscher?« Das war meine Ex.
»Kommt hin. Ein Wissenschaftler jedenfalls, hochdekoriert und steinalt.«
»Über den stand doch dieser Tage etwas in der Zeitung.« Die Buchhändlerin eilte zur Theke und kam mit einem Exemplar der Neckar-Nachrichten zurück. Eifrig schlug sie den Lokalteil auf, musste aber feststellen, dass dieser von einem anderen Thema beherrscht wurde. Und zwar ausschließlich.
»Romana, die wildeste Hure von Heidelberg!«, rief Fatty. »Dahinter solltest du dich klemmen, Max! Das wäre ein Fall für dich, da ist alles drin. Sex, Gefahr, Skandale … Aber hallo!«
»Rein vom Marketing her wäre das tatsächlich überlegenswert«, nuschelte die Buchhändlerin, während sie die Seiten umblätterte. »Scheint wohl gestern drin gewesen zu sein, der Artikel über Butenschön.«
»Seit wann kennst du dich mit den wildesten Huren von Heidelberg aus?«, fragte Eva mit forschendem Blick. Fatty wurde tatsächlich ein bisschen rot.
»Ich lese Zeitung«, gab er spitz zurück. »Du nicht?« Und dann erklärte er, dass es sich bei der wilden Romana um die höchstbegehrte, bestbezahlte und daher bestinformierte Prostituierte der Metropolregion handelte, die aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters beschlossen hatte, besagte Informationen zu Geld zu machen. Ihre Ankündigung ließ die Redakteure in Nah und Fern jubilieren, eine ganze Reihe von einflussreichen Personen aber vor Angst zittern: Politiker, Direktoren, Sportler, Vereinsvorsitzende. Zumindest behaupteten das die
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