Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Butenschön

Butenschön

Titel: Butenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbisweiler
Vom Netzwerk:
sah auf die Uhr. Zum Warten war ich nicht gekommen.
    »Es wird nicht lange dauern, Herr Koller. Gleich gegenüber, da ist es schon.«
    Eine Kaffeeküche wie aus dem Lehrbuch: eng, sauber, neu, ungemütlich. Freudlos nahm der gemütliche Herr Deininger diese feindliche Umgebung zur Kenntnis. Wir nahmen auf zwei Klappstühlen Platz, die zu allem Möglichen aufforderten, nur nicht zum längeren Verweilen. Deininger faltete die Hände und ließ die Daumen kreisen.
    »Das war also Ihre Frau«, stellte ich fest.
    Er nickte. »Evelyn. Sie lässt sich nichts anmerken, das ist typisch. Aber sie hat einen Schock, ganz bestimmt. Ich kenne sie.«
    »Haben Sie schon mit ihr gesprochen? Was denkt sie über den Anschlag?«
    Deininger zögerte. Erst sah er an mir vorbei, dann grinste er schwach und fingerte an seiner kleinen Nase herum. »Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Wenn man aus heiterem Himmel mit so einem   …   mit so einer Sache konfrontiert wird, fällt es erst einmal schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Offenbar kann sie die Vorstellung, dass das Feuer ihr und ihrer Arbeit galt, nicht an sich heran lassen. Noch nicht. Das müssen Sie verstehen, Herr Koller.«
    »Im Verstehen bin ich ganz groß«, gähnte ich. Meine Lesung vorhin hatte Kraft gekostet.
    »Wir hatten noch nie mit einem Verbrechen zu tun, Evelyn und ich. Das ist so weit weg von allem, was wir   …   Wirklich, das ist ein Schock für uns.«
    Wenn er »ein Schock für Knödelchen und mich« gesagt hätte, wäre der Satz perfekt gewesen. Bärchen Deininger saß traurig auf der Zumutung von einem Stuhl, er war so gut rasiert und die Welt war so schlecht. Hinter ihm an der Wand hing ein vergilbter Büro-Cartoon, am Kühlschrank klebte eine Liste mit Verhaltensregeln für die Küchenbenutzer. Ich hätte ihn gerne gefragt, ob er vor der Weltfinanzkrise seine Kunden auch zu windigen Fondsgeschäften überredet hatte, aber nein, er war ja bei der Sparkasse, der grundsoliden, und die alten Mütterchen kamen gerne mit ihrem Spargroschen zu ihm.
    »Herr Deininger«, sagte ich, »ich hatte nicht vor, den Abend mit Herumsitzen zu verbringen, bitte verstehen Sie mich recht. Wenn Ihre Frau beschäftigt ist, gibt es für mich hier nichts zu tun. Ein Bild vom Tatort habe ich mir gemacht, alles Weitere können wir morgen besprechen. Zum Beispiel, ob ich den Fall übernehme.«
    »Es wird bestimmt nicht lange dauern. Was will sie schon zu Protokoll geben? Sie hat ja nichts gesehen und nichts gehört. Wenn sie …«
    Das Aufreißen der Tür schnitt ihm das Wort ab, gab ihm aber im Prinzip recht. Auf der Schwelle stand Evelyn Deininger: eine kleine, weizenblonde Frau mit spitzem Kinn. Über markante Backenknochen spannte sich rotfleckige Haut. Wo ihr Mann weich war, war sie hart. Wo er Gemütlichkeit ausstrahlte, wirkte sie verkrampft. Und diese Frau wurde Knödelchen genannt? Dann musste er im Umkehrschluss Knäckebrot heißen.
    »Eine Bemerkung nur«, sagte sie ohne Einleitung. »Ich muss gleich zurück. Nehmen Sie es nicht persönlich, Herr Koller, aber ich bin dagegen, dass sich hier ein Privatermittler einmischt. Was zu tun ist, regelt die Polizei.«
    »Aber natürlich!« Deininger sprang auf. »Du hast völlig recht, Knödelchen, ich wollte mich mit Herrn Koller auch nur ein wenig austauschen, was er von der Sache hält, dann überlegen wir zwei uns das gemeinsam, und wenn wir der Meinung sind, dass wir seine Hilfe brauchen, kommen wir wieder auf ihn zu, trotzdem, ich meine, er hat sich jetzt extra herbemüht, da wäre es schön, wenn du ihm diesbezüglich ein paar Dinge über deine Arbeit erzählen würdest.«
    Das war ein langer, atemloser und vor allem punktloser Satz, den Knödelchen mit einem einzigen Wort zertrümmerte: »Nein.«
    »Damit er weiß, worum es geht.«
    »Michael!« Sie wurde ungnädig.
    »Dann aber morgen.« Sieh an, das Bärchen konnte richtig hartnäckig sein. »Lass uns darüber schlafen, ja?«
    »Ich muss zurück. Tut mir leid, dass Sie umsonst gekommen sind, Herr Koller.« Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss.
    »Tja«, machte Deininger und hob entschuldigend die Arme, während er sich wieder setzte. »Ich sage ja, sie steht noch unter Schock.«
    »Meinen Sie?« Die Frau war ein Muster an Klarheit gewesen, fand ich, da hätte sich ihr Mann in all seiner Besorgnis eine Knödelscheibe abschneiden können.
    »Absolut, sie lässt den Schrecken nicht an sich ran, versucht ihn fernzuhalten. Bloß nicht zugestehen, dass da jemand mit Absicht  

Weitere Kostenlose Bücher