Butenschön
Redakteure in ihren Jubelpausen, in denen sie einen auf Mahner und Moralwächter machten.
»Sogar der Heidelberger Oberbürgermeister soll schlaflose Nächte haben«, beendete Fatty seine kleine Nachhilfestunde. »Man darf also gespannt sein.«
»Und das wäre ein Fall für mich, deiner Meinung nach?« Ich tippte mir an die Stirn. »Hier oben!«
»Viel Feind, viel Ehr!«
»Ehr? Das bezweifle ich.«
»Stell dir mal vor, der OB ruft dich an: Herr Koller, Sie müssen mir helfen, mein Ruf steht auf dem Spiel! Ich habe Ihr Buch gelesen, Sie sind der Einzige, dem ich vertraue!« Nur das eben eintreffende Weizenbier war imstande, seinen Redefluss zu stoppen.
»Schade«, schüttelte die Buchhändlerin den Kopf und legte die Zeitung zusammen. »In der Ausgabe von heute steht der Artikel nicht. Es ging um den 100. Geburtstag dieses Professor Butenschön und um die Feierlichkeiten in den nächsten Tagen. Hat er Sie beauftragt, Herr Koller?«
»Nein, er hat mit der Sache direkt nichts zu tun. Mehr will ich dazu auch nicht sagen, die Informationen sind schließlich vertraulich.«
Die Frau lächelte keck und streckte mir ihre Hand hin. »Ich warte einfach, bis ich alles in Ihrem nächsten Buch nachlesen kann. Hat mich gefreut, Herr Koller. Wirklich erfrischend, Ihre Lesung! Ich wünsche viel Erfolg mit Ihrem Werk und noch einen schönen Abend.« Weg war sie.
»Dein Werk«, nickte Christine anerkennend. »Wie das klingt!«
»Buchhändler sind so«, brummte Fatty, das Bierglas an den Lippen. »Vor allem Buchhändlerinnen.«
Nachdenklich kratzte ich mich am Kopf. Irgendetwas stimmte nicht mit meinem Freund Friedhelm. Die Präsentation eines Buches, in dem er selbst vorkam, hätte ihn mindestens auf Wolke sieben katapultieren müssen. Aber nein, während der Lesung hatte er in der letzten Reihe gesessen und den Unbeteiligten gespielt. Und anstatt jetzt signierte Exemplare in der Kneipe zu verticken, grummelte er vor sich hin und moserte über die burschikose Buchhändlerin.
»Ich fand sie klasse«, widersprach Eva. »Immerhin hat sie einem Debütanten die Gelegenheit gegeben, sein Buch vorzustellen. Das macht nicht jeder. Und sie hat dir ein Honorar gezahlt.«
Richtig, das hatte sie. Allerdings hätte sie ohne Marcs Aktivitäten im Vorfeld vermutlich keinen Euro herausgerückt. Wofür ich wiederum größtes Verständnis aufbrachte. Nun, Covet war Redakteur, und man wollte schließlich die Presse auf seiner Seite haben, auch als kleine Buchhändlerin.
Wir stießen noch einmal auf den gelungenen Abend an und schickten ein paar Grüße nach Ägypten. Dann sah Christine auf die Uhr.
»Leute, ich breche auf«, seufzte sie. »Ich muss morgen arbeiten.«
»Wir doch auch«, sagte ich. »Schon gut, ich komme mit. Und ihr lasst mal die Geldbeutel stecken, das geht auf mich. Bin ja jetzt so eine Art Dingens, ihr wisst schon.« Ich winkte der Bedienung.
»Noch eine Premiere.« Grinsend lehnte sich Eva zurück. »Wie macht sich dein Ex eigentlich so, wo ihr wieder zusammen seid, Christine?«
»Sind wir das?«
»Wir wohnen zusammen«, präzisierte ich. »Spart wahnsinnig Kosten, und die Verwandtschaft freut sich, wenn sie uns nur noch eine gemeinsame Weihnachtskarte schicken muss.«
»Der Herr ist quasi mein Untermieter«, lächelte Christine. »Er war partout nicht zu bewegen, den Mietvertrag zu unterschreiben, so dass ich ihn gnadenhalber bei mir aufgenommen habe. Ich kann ihn auch jederzeit wieder vor die Tür setzen.«
»Hat er sich geändert?«, bohrte Eva weiter. »Gegenüber früher, meine ich.«
»Geändert?« Christine überlegte. »Schwer zu sagen. Hast du dich geändert, Max?«
»Ich bin jünger geworden.« Wo blieb nur die Bedienung?
»Manchmal räumt er die Flaschen Bier selbst weg, die er abends vor dem Fernseher trinkt. Das ist doch schon mal was.«
»Wie bitte? So ein Quatsch, als wenn ich das jemals getan hätte! Weiß ja nicht einmal, wo die hingehören, die leeren Flaschen. Es wird noch Monate dauern, bis ich mich in dieser Wohnung zurechtfinde. Dauernd verlaufe ich mich …«
»In einer Dreizimmerwohnung«, ergänzte Christine.
»In drei Riesenzimmern, ja. Einen Flur gibt es auch und eine Abstellkammer, und wahrscheinlich werde ich demnächst noch einen Balkon entdecken. Aber Flaschen wegräumen – nicht mit mir! Sollte ich das jemals tun, Christine, schmeißt du mich raus, hörst du? Es gibt Grenzen.«
»Diesen Standpunkt solltest du dem Publikum bei deiner nächsten Lesung erläutern. Das
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