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Butenschön

Butenschön

Titel: Butenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbisweiler
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ihrem Stuhl und dirigierte die Redner mit den Augen. Zog die Brauen hoch, wenn sie sich dem Ende nähern sollten, lächelte mild, wenn es Komplimente hagelte. Ein Großneffe Butenschöns berichtete vom Blühen und Gedeihen der Max-Planck-Gesellschaft in den neuen Bundesländern, deren Mitarbeiter er zufällig war. Ein Schelm, wer Böses dabei dachte. Eine Dame ohne Angabe des Verwandtschaftsgrads präsentierte Anekdötchen ihres ersten Zusammentreffens mit Albert, dem Charmeur. Blümchen wurden überreicht, Küsschen verteilt, Pointen gesetzt. Emotionaler Höhepunkt dieses Zwischengangs war ein Gedichtvortrag des langhaarigen Knaben, der dem geliebten Uropa in selbstgedrechselten Versen huldigte. Es gab donnernden Applaus als Anerkennung für diese heroische Leistung. Frau Butenschön wischte sich eine vorhandene oder vorgetäuschte Träne aus dem Augenwinkel. Ihr Mann kämpfte sich unter Mühen aus seinem Stuhl, um den Urenkel in die Arme zu schließen. Er sah blass aus.
    »Das muss wahnsinnig anstrengend für ihn sein«, meinte Jutta, nachdem wir die Hauptgerichte aufgetragen und den ersten Ansturm der Esser glücklich abgewehrt hatten. »Wieso tut sie ihm das an?«
    »Er tut es sich selbst an«, erwiderte Susanne. »Niemand zwingt ihn, seinen Geburtstag zu feiern.«
    »Doch, seine Frau.«
    »Vielleicht. Wie sieht es mit dem Rotwein aus, Achim?«
    »Noch zwei Flaschen sind da.«
    »Gut, dann muss ich in den Keller und für Nachschub sorgen.« Sie gab mir ein Zeichen. Es ging also los. Ich sah, wie Susanne an den Tisch der Butenschöns trat und sich lächelnd zur Hausherrin herabbeugte. Frau Butenschön nickte, entnahm ihrer Handtasche einen schweren Schlüsselbund und begann, einen der Schlüssel abzuziehen. Susanne lächelte noch inniger, flüsterte etwas, woraufhin sie den ganzen Bund in die Hand gedrückt bekam.
    »Macht ihr das mit den Getränken?«, bat ich Jutta und Achim. »Ich muss mal kurz wohin.«
    Vor der Saaltür traf ich Susanne. Sie reichte mir einen einzelnen Schlüssel und zeigte nach oben. »Die erste Tür links. Du hast genau fünf Minuten. Auf die Sekunde, Max! Klar?«
    Ich nickte und eilte zur Treppe.

     

     

     

     

    Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012

24

    Bevor ich das Büro aufschloss, horchte ich ein paar Sekunden an der Tür. Von meinem eigenen Herzschlag abgesehen, herrschte Stille. Der Lärm aus dem Saal drang als dumpfes Murmeln nach oben. Ich steckte den Schlüssel ins Schloss, drehte ihn und öffnete die Tür. Geräuschlos trat ich ein. Der Fußboden bestand aus glänzend polierten Dielen, doch es gab Teppiche, die meine Schritte dämpften. Sollte ich von innen abschließen? Für die paar Minuten lohnte sich das nicht.
    Der Sekretär, von dem Susanne gesprochen hatte, thronte mitten im Raum. An den Wänden Regale mit zig Ordnern, dazwischen kleine Kunstdrucke, Fotos, Urkunden. Seitlich auf einem Schreibtisch standen ein PC, Drucker und Scanner. Trotzdem schienen die Butenschöns die Tradition der handschriftlichen Aufzeichnung hochzuhalten. Auf der Arbeitsplatte des Sekretärs lag Briefpapier, daneben ein Füller und Bleistifte. Ich hob die Platte hoch, um an die Schubladen zu gelangen. Verdammt, die waren ja auch abgeschlossen, alle drei! Hektisch durchwühlte ich die offenen Fächer im oberen Teil des Sekretärs   –   nichts. Wahrscheinlich hingen die Schlüssel an dem riesigen Bund, den Susanne gerade durch den Keller trug. Ich sah zu den Regalen hinüber. Da stand ein kleines Kästchen, in das ich, wäre dies mein Büro, so kleine, unscheinbare Schlüssel   …   Hin, aufgeklappt, durchgeatmet: Da lag ein Schlüssel, und er passte zu allen drei Schubladen.
    Ich zog die erste auf, durchsuchte sie: keine Einladungen. Schreibutensilien, weitere Briefbögen, alte Jahresplaner, Krimskrams, aber keine Einladungen. Susanne hatte doch von der obersten Schublade gesprochen? Vielleicht ein kleiner Test; das Versteck des Schubladenschlüssels hatte sie mir ja auch verheimlicht. Mal sehen, was der Superdetektiv so alles drauf hat. Wo war die versteckte Kamera?
    Ich riss die beiden unteren Schubladen auf   –   Fehlanzeige. Diese verdammten Einladungen! Ein Blick zur Uhr: zwei Minuten vorüber. Draußen blieb alles ruhig. Mein Puls nicht. Noch einmal genau hinschauen, in jede Schublade, beginnend mit der oberen. Irgendwo musste das Zeug doch stecken!
    Eine Einladung fand ich nicht. Dafür hielt ich irgendwann eine Mappe in der Hand, die in

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