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Butenschön

Butenschön

Titel: Butenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbisweiler
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Senioren und hungriges Mittelalter. Die Küche der Butenschöns erwies sich als viel zu klein für all die Essensberge. Wir stapelten das Zeug bis zur Decke, hielten warm, hielten kühl, hielten auf Zimmertemperatur. Susanne geriet in Hektik.
    »Bisschen fixer, Max! Das ist noch nicht alles.«
    »Wo steckt eigentlich das Geburtstagskind?«
    »Oben. Der kommt ganz zuletzt. Los jetzt, pack an!«
    Ganz natürlich verhalten, jaja. Ich für meinen Teil empfand dieses Arbeitstempo als äußerst unnatürlich. Achim auch, Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn. Wann immer es möglich war, lugte ich hinaus in den Eingangsbereich. Ich sah die schmallippige Frau Butenschön die Honneurs machen und die Ankommenden in den Saal bugsieren. Neben ihr stand ein Halbwüchsiger mit käsiger Miene und dunklen, zu langen Haaren. Vom Jubilar keine Spur. Das Stimmengewirr nahm zu, die Krawattendichte auch. Ich warf einen skeptischen Blick auf meinen Schlips. Schön, so fiel ich wenigstens nicht auf.
    »Max!«
    »Keinen Stress, Susanne, wir schaffen das.«
    »Ja, aber nur zu viert.«
    »Wo sind denn nun die Einladungen für morgen?«
    »Bisschen leiser«, zischte sie. »Im ersten Stock gibt es ein Büro mit einem großen Sekretär. Dort in einer der Schubladen, wahrscheinlich der obersten.«
    »Und warum gehst du nicht selbst hoch und holst dir eine?«
    »Weil du der Detektiv bist. Weil ich Anwesenheitspflicht habe und weil die Tür abgeschlossen ist.«
    »Davon hast du nichts gesagt. Dass sie abgeschlossen ist, meine ich.«
    »Mach dir nicht ins Hemd!«
    Kopfschüttelnd trollte ich mich. Einen Umgangston hatten diese Studentinnen! Kam wohl vom vielen Demonstrieren. Mit uns Nichtakademikern konnten sie es ja machen.
    »Versuchen wir eins?«, grinste Achim und zeigte auf ein undefinierbares Etwas in Aspik.
    »Iih«, machte Jutta, die andere Helferin. »Die haben ziemlich ekliges Zeug, finde ich.«
    Da wollte ich nicht widersprechen. Obwohl, eklig traf die Sache nicht ganz, eher schon altväterlich. Ein Büffet wie in den Sechziger-, Siebzigerjahren mit viel Sahnehäubchen und Meerrettichklecksen. Krabben in Mayonnaise, Pasteten, gefüllte Blätterteigtörtchen und natürlich Fleisch, Fleisch, Fleisch. Zum Teil in Gelatine versenkt, zum Teil nackt.
    »Das kommt alles wieder«, erklärte ich Jutta, die ich auf Jahrgang 1990 schätzte. »Wie die Schlaghosen und die Miniröcke.« Sie verstand nicht. War ja auch Unsinn, was ich da von mir gab.
    Als wir endlich die Aufforderung bekamen, die Vorspeisen in den Saal zu tragen, ging es bereits auf zwölf Uhr zu. Jutta, Achim und ich schnappten uns jeder ein Tablett und marschierten los.
    »Moment«, hielt uns Susanne auf und schmierte mir irgendeine Creme auf die Beule. »Nicht dass die Leute denken, sie hätten es mit einem Schläger zu tun.«
    »Das Ding entzündet sich noch, wenn ihr dauernd was anderes drauftut«, knurrte ich zurück. »Verrate mir lieber, wie ich an den Büroschlüssel komme!«
    »Ja, verdammt!«, presste sie zwischen den Zähnen hervor. »Irgendwann im Laufe der Feier werde ich mir Frau Butenschöns großen Schlüsselbund ausborgen. Danach hast du fünf Minuten, verstanden? Wir müssen aber warten, bis der Alte herunterkommt. So, und jetzt ab mit euch! Dass ihr mich nicht blamiert!«
    Ich streckte ihr die Zunge heraus und trottete den beiden anderen hinterher. Die Festgesellschaft machte Ah und Oh, wie es die Büffetstürmer überall auf der Welt machen, und glotzten Jutta auf den Hintern. Oder Achim, je nachdem. Mir hoffentlich auch, dann fiel die zugekleisterte Beule weniger auf. Der Saal war inzwischen gut gefüllt, die Tische für die Speisen standen gedrängt in einer Ecke. Ich sah ältere und weniger alte Leute, aufgedonnert und geschminkt, auch ein paar Kinder hüpften durch die Reihen. Frau Butenschön herrschte über ihre Gäste wie ein Dirigent, wies ihnen Plätze an, verteilte Lob und Zuspruch. Die Smalltalkfetzen, die ich im Vorbeigehen aufschnappte, ließen meine Nackenhaare strammstehen.
    Kaum waren die Vorspeisen aufgetragen, drückte uns Susanne eine Flasche in jede Hand. Sie und Achim übernahmen den Weinausschank, Jutta und ich bekamen es mit Wasser und Säften zu tun. Wenn ich das für die wesentlich leichtere Aufgabe gehalten hatte, so hatte ich mich getäuscht.
    »Ist der aus ungespritzten Äpfeln?«, fragte mich eine Dame, auf die Saftflasche zeigend.
    »Ungespritzt und handverlesen«, sagte ich.
    »So? Vielleicht doch lieber Wasser.«
    »Ich Saft«,

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